Das am 1. Januar 2019 in Kraft getretene "Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts - Einführung einer Brückenteilzeit" novelliert auch die sog. Arbeit auf Abruf im Sinne von § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG).
Mit „Abrufarbeit“ ist nicht gemeint, Arbeitsstunden eines Arbeitnehmers nach Belieben abzurufen und nur dann zu bezahlen. Sie ist ein Flexibilisierungsinstrument für Arbeitgeber, dabei aber streng reglementiert. §12 TzBfG bezweckt einen Ausgleich zwischen dem Arbeitgeberinteresse zur Flexibilisierung der Arbeitszeit und den Belangen des Arbeitnehmerschutzes.
Der Gesetzgeber verschärft nun die Anforderungen, übernimmt dabei Grundsätze der Rechtsprechung und regelt Fragen der Entgeltfortzahlung:
Der Gesetzgeber hat zu der Neufassung von § 12 TzBfG keine Übergangsvorschrift geregelt.
Die Erhöhung der fingierten Wochenarbeitszeit auf 20 Stunden würde daher auf den ersten Blick auch für im Jahr 2018 oder früher geschlossene Arbeitsverträge ohne konkret vereinbarte Arbeitszeit gelten („Altverträge“). Auf den zweiten Blick – insoweit teilen wir die Einschätzung in der Fachliteratur – lässt sich aber vertreten, dass bei Altverträgen bereits die (alte) Fiktion von zehn Wochenstunden griff und damit de facto eine Arbeitszeitvereinbarung besteht.
Die Neufassung von § 12 TzBfG „wirft zwar nicht alles über den Haufen“, verschärft aber die Anforderungen und erhöht den Druck auf Arbeitgeber, vertragliche Vorsorge zu treffen. Nachlässigkeit kann teuer werden.
Die fingierte Wochenarbeitszeit ist nach wie vor keine Mindestgrenze. Die Arbeitsvertragsparteien können auch weniger vereinbaren. Die Fiktion greift nur, wenn keine Wochenarbeitszeit vereinbart wurde. Eine fingierte Wochenarbeitszeit ist zwingend zu bezahlen und in der Sozialversicherung zu verbeitragen, auch wenn der Arbeitgeber die Stunden nicht abgerufen hat – insoweit nichts Neues.
Die Verdoppelung auf 20 Wochenstunden hat aber auch sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen, vor allem auf sog. geringfügige Beschäftigung. In Gesamtschau mit dem ab Januar 2019 geltenden gesetzlichen Mindestlohn von EUR 9,19 ergeben sich rechnerisch nahezu EUR 800,- monatlich. Soweit keine Arbeitszeit vereinbart ist und daher die Fiktion greift, entfällt das sozialversicherungsrechtliche Privileg (§ 8 Abs. 1 SGB IV). Erfahrungsgemäß werden bei sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfungen geringfügige Beschäftigungsverhältnisse sehr kritisch geprüft. Dies wird nun in verstärktem Maße gelten.
Mit der gesetzlichen Fixierung der Bandbreitenregelung wird Rechtssicherheit geschaffen. Hinfällig ist damit eine Entscheidung des BAG, in der es sogar größere Bandbreiten unbeanstandet ließ. Den zwingend zu beachtenden Rahmen bildet nun § 12 Abs. 2 TzBfG. Bei genauer Betrachtung gewinnen Arbeitgeber an Flexibilität, je höher die vereinbarte Wochenarbeitszeit ist. Eine Kombination aus 25%- und 20%-Grenze ist wohl weiterhin zulässig, so dass eine Bandbreite um einen von den Arbeitsvertragsparteien festgeschriebenen Wert (Sockelbetrag) vereinbart werden darf. Beträgt der Sockel beispielsweise 30 Wochenstunden, ergäbe sich eine mögliche Bandbreite von 24 Stunden (minus 20 %) bis 37,5 Stunden (plus 25 %).
Kontrovers diskutiert werden indessen die Rechtsfolgen einer Missachtung der zulässigen Bandbreite. Das BAG nahm bislang eine ergänzende Vertragsauslegung vor und bestimmte eine neue reguläre Arbeitszeit aus der Summe der vereinbarten Mindestarbeitszeit und der regelmäßig geleisteten Abrufarbeit. Vermutlich ging davon auch der Gesetzgeber bei der Novelle aus, formulierte im Gesetzestext aber etwas unklar, dass der Arbeitgeber nicht „mehr“ an zusätzlicher Arbeitszeit „abrufen“ dürfe. Dies spräche dafür, dass betroffene Arbeitnehmer nur ein Leistungsverweigerungsrecht haben, soweit die zulässige Bandbreite unter- oder überschritten wird.
Bei der in § 12 Abs. 6 TzBfG geregelten Öffnung für abweichende tarifvertragliche Regelungen hat der Gesetzgeber es versäumt, auch den neue Absatz 2 (Bandbreitenregelung) zu nennen. Dies ist vermutlich ein Versehen des Gesetzgebers. Eine absichtliche Ausklammerung wäre ein schwerwiegender Eingriff in die Tarifautonomie und bereits bestehende Tarifverträge. Für die Annahme eines Versehens spricht auch, dass der Gesetzgeber mit der Novellierung die Rechtsprechung zu § 12 TzBfG kodifizieren wollte. Naheliegend ist daher eine verfassungskonforme Auslegung des Absatz 6 dergestalt, dass er auch abweichende Bandbreitenregelungen in Tarifverträgen gestattet bzw. unberührt lässt.
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