Die Rechtsprechung zum Schutz des sog. dritten Geschlechts und die korrespondierende Novellierung des Personenstandsgesetzes hat weitreichende Auswirkungen auf die betriebliche Praxis.
Mit Beschluss vom 10. Oktober 2017 (1 BvR 2019/16) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die bisher im Personenstandsrecht vorgesehene binäre Unterscheidung zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlecht gegen das grundrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht von Personen verstößt, die biologisch weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht eindeutig zugeordnet werden können. Zugleich das BVerfG dem Gesetzgeber den verfassungsrechtlichen Auftrag, durch eine Novellierung des Personenstandsgesetzes bis zum 31. Dezember 2018 Abhilfe zu schaffen. Diesem Auftrag ist der Gesetzgeber nachgekommen und hat durch eine Neuregelung des Personenstandsgesetzes intergeschlechtlichen Personen die Möglichkeit eröffnet, sich im Geburtenregister unter dem Geschlecht „divers“ registrieren zu lassen.
Die Anerkennung der Geschlechtskategorie „divers“ hat weitreichende Auswirkungen in der arbeitsrechtlichen Praxis. Arbeitgeber sollten sich hierauf einstellen, da sie sich ansonsten dem Vorwurf der Geschlechterdiskriminierung und Entschädigungsforderungen ausgesetzt sehen könnten.
Insbesondere in den folgenden Bereichen ist eine besondere Sensibilität gefragt:
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gibt vor, dass Stellenausschreibungen geschlechtsneutral zu halten sind. Vor diesem Hintergrund war es bislang üblich, in Stellenausschreibungen das generische Maskulinum sowie den Klammerzusatz (m/w) oder Berufsbezeichnungen in männlicher und weiblicher Form zu verwenden.
Zukünftig sollten sich Stellenausschreibungen auch an Personen des dritten Geschlechts richten. Hierfür könnte etwa der Klammerzusatz entsprechend um ein „d“ oder „divers“ ergänzt werden („m/w/d“ oder ausgeschrieben „männlich/weiblich/divers“).
Bleibt das dritte Geschlecht in einer Stellenausschreibung unberücksichtigt, so stellt dies ein Indiz für das Vorliegen einer Diskriminierung intergeschlechtlicher Personen dar.
Als problematisch könnte sich zukünftig auch die direkte Anrede erweisen, welche das dritte Geschlecht unberücksichtigt lässt.
Stellen Personen sich selbst als/mit „Herr“ oder „Frau“ vor, kann auch der Arbeitgeber diese Anrede verwenden.
Wie verhält es sich aber in unbestimmten Fällen oder bei der Ansprache eines größeren oder unbestimmten Personenkreises? Solange die Rechtslage insoweit nicht geklärt ist, muss leider zu Vorsicht gemahnt werden.
Zu denken ist etwa an die Möglichkeit, ohne persönliche bzw. mit geschlechtsneutraler Anrede zu antworten („Guten Tag, …“, „Liebe Alle, …“; Liebe Belegschaft, …“).
In der Fachliteratur wird gegenwärtig zudem vorgeschlagen,
Den Vorschlag (1) halten wir für kritisch. Rechtssicherer ist der Vorschlag (2).
Den optimalen Verfahrensvorschlag gibt es leider nicht. Letztlich wird der ebenso rechtssicher wie sozialadäquat agierende Arbeitgeber im Einzelfall entscheiden müssen.
Kennt er den Adressaten nicht oder richtet er sich an einen größeren Adressatenkreis, ist besondere Vorsicht angezeigt.
Die Arbeitsstättenverordnung sieht vor, dass sanitäre Einrichtungen getrennt für Männer und Frauen einzurichten sind oder dass zumindest eine getrennte Nutzung ermöglicht werden muss. Auch intergeschlechtlichen Arbeitnehmern muss zukünftig die Möglichkeit einer solchen getrennten Nutzung eingeräumt werden. Es bleibt abzuwarten, ob hierfür gesonderte sanitäre Einrichtungen eingerichtet werden müssen oder ob es genügt, die Bezeichnungen „männlich“ und „weiblich“ jeweils um ein „divers“ zu erweitern.
Soweit das Erscheinungsbild der Arbeitnehmer durch geschlechtsspezifische Kleiderordnungen geregelt wird, besteht auch diesbezüglich Anpassungsbedarf. Kleiderordnungen sollten zukünftig nach Möglichkeit geschlechtsneutral gehalten werden, um den Eindruck einer Diskriminierung intergeschlechtlicher Arbeitnehmer zu vermeiden.
Nach § 15 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz muss das Geschlecht, welches in der Belegschaft in der Minderheit ist, entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein. Demnach wurde im Hinblick auf die Besetzung des Betriebsrats bislang lediglich zwischen zwei Geschlechtern unterschieden. Es steht zu erwarten, dass der Gesetzgeber § 15 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz anpassen wird und das Verhältnis aller drei Geschlechter zukünftig zu berücksichtigen ist.
Um den Anteil an Frauen in Führungspositionen zu erhöhen, gelten seit einigen Jahren Geschlechterquoten für neu zu besetzende Aufsichtsratspositionen. Daneben wird seit längerem die Einführung einer Frauenquote für andere Führungsgremien wie Vorstände und Geschäftsführungen diskutiert. Möglicherweise wird der Gesetzgeber künftig auch intergeschlechtliche Personen explizit einbeziehen.
Wie die Beispiele zeigen, stellen sich viele Fragen. Längst nicht alle lassen sich derzeit rechtssicher – oder zufriedenstellend – beantworten. Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Gesetzesänderungen und Leitlinien der Rechtsprechung folgen, um einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz intergeschlechtlicher Personen und der Praktikabilität im Arbeitsleben zu schaffen. Vorerst sind Arbeitgeber gut beraten, Sensibilität walten zu lassen.
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