Im November 2018 lösten zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zum Verfall von Urlaubsansprüchen allgemeine Verwunderung aus, vor allem bei Arbeitgebern. Nach Ansicht des EuGH verfallen Urlaubsansprüche am Ende eines Kalenderjahres selbst dann nicht, wenn der Arbeitnehmer sie nie beantragt hat, sofern der Arbeitgeber zuvor auf den drohenden Verfall nicht hingewiesen hat (vgl. unsere Kurzmeldung vom 8. November 2018). Doch auch abseits dieser prominenten Entscheidungen brachte das Jahr 2018 einige Klarstellungen im Urlaubsrecht, insbesondere zur Berechnung von Urlaubstagen und Urlaubsentgelt.
Mit Urteilen vom 23. Januar 2019 (9 AZR 200/17) und vom 8. Mai 2018 (9 AZR 578/17) stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) klar, dass eine Abrundung von Urlaubsansprüchen ohne entsprechende Rechtsgrundlage (z.B. Tarifvertrag) unzulässig ist. Bislang war es in Personalabteilungen häufige Praxis, Bruchteile von Urlaubsansprüchen von weniger als einem halben Urlaubstag abzurunden. Hierfür wurde ein Umkehrschluss zu § 5 Abs. 2 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) herangezogen, wonach Bruchteile von mindestens einem halben Tag auf volle Urlaubstage aufzurunden sind. Das BAG betonte nun für Bruchteile von 0,25 bzw. 0,15 Urlaubstagen, dass ein solcher Umkehrschluss zu § 5 Abs. 2 BUrlG unzulässig sei und eine Rechtsgrundlage für die Abrundung fehle.
Das BAG entschied am 20. März 2018 (9 AZR 486/17) über die Berechnung des Urlaubsentgelts bei Arbeitszeitreduzierung. Der Entscheidung lag eine Regelung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst zugrunde, dass sich das Urlaubsentgelt nach der Vergütung zum Zeitpunkt des Urlaubsantritts bestimmt. Die klagende Teilzeitkraft hatte ihre Arbeitszeit erst nach Entstehung des maßgeblichen Urlaubsanspruchs reduziert und verlangte die Auszahlung eines höheren Urlaubsentgelts, basierend auf dem früheren Gehalt in einer 35-Stunden-Woche. Das BAG gab der Klägerin Recht: Das Urlaubsentgelt bemesse sich anhand der Höhe der durchschnittlichen Vergütung des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Entstehung des Urlaubsanspruchs, da bereits zu diesem Zeitpunkt auch der Urlaubsentgeltanspruch entstanden sei. Eine anderweitige tarifliche Regelung verstoße nach § 134 BGB gegen das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitkräften (§ 4 TzBfG). Wechselt ein Arbeitnehmer von Vollzeit in Teilzeit und nimmt danach Urlaub, der noch während der Vollzeittätigkeit entstanden ist, hat er also Anspruch auf Urlaubsentgelt entsprechend dem bisherigen Vollzeitgehalt.
Eine weitere Entscheidung erging zum Verfall sog. Ersatzurlaubsansprüche (BAG vom 19. Juni 2018 - 9 AZR 615/17). Ersatzurlaub ist ein Schadensersatzanspruch, der entsteht, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig vom Arbeitnehmer beantragten Urlaub nicht gewährt und der Urlaubsanspruch mit Ablauf des Kalenderjahres erlischt. Das BAG entschied nun, dass der Ersatzurlaubsanspruch als Fortsetzung des ursprünglichen Urlaubsanspruchs keinen Ausschlussfristen unterliege, da mit § 7 Abs. 3 BUrlG ein eigenständiges Fristenregime Anwendung finde. Anders ist dies aber weiterhin bei dem Anspruch auf Urlaubsabgeltung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG: Dieser ist kein wesensgleiches Surrogat für den ursprünglichen Urlaubsanspruch und unterliegt deshalb grundsätzlich vertraglich vereinbarten Ausschlussfristen.
Die Rechtsprechung des vergangenen Jahres begründet Handlungsbedarf für Arbeitgeber.
Sie müssen nicht nur darauf achten, dass Resturlaubstage in Zukunft genau in ihren Bruchteilen erfasst werden (sofern eine bruchteilige Gewährung überhaupt zugelassen wird). Zudem sollten Personalabteilungen in Zukunft darauf hinwirken, dass bereits entstandener Urlaub – soweit möglich – noch vor Beginn einer etwaigen Arbeitszeitreduzierung genommen wird. Denn die obige Entscheidung des BAG zur Höhe des Urlaubsentgelts bei Reduzierung der Arbeitszeit ist nicht nur für tarifvertragliche Regelungen relevant, sondern auch im Hinblick auf § 11 BUrlG.
Fälle der Arbeitszeitreduzierung dürften sich angesichts der neu eingeführten Brückenteilzeit künftig häufen. Zudem stellt sich im Hinblick auf die Brückenteilzeit die Frage, ob die Rechtsprechung auch umgekehrt Anwendung findet, sofern ein Urlaubsanspruch in Teilzeit erworben wurde und die Arbeitszeit zu einem späteren Zeitpunkt wieder angehoben wird. Nach dem Wortlaut des § 11 BUrlG würde sich das Urlaubsentgelt eigentlich nach dem höheren Vollzeitgehalt bemessen. Auf Grundlage der obigen Argumentation des BAG müsste sich das Urlaubsentgelt dagegen nach dem Teilzeitgehalt bei Entstehung des Urlaubsanspruchs richten.
Insofern bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber § 11 BUrlG anpassen wird.
Im Hinblick auf die Rechtsprechung zur Unverfallbarkeit von Ersatzurlaubsansprüchen ist künftig damit zu rechnen, dass Arbeitnehmer gerade in langwierigen Kündigungsschutzprozessen Urlaub beantragen, der nach dem Kündigungstermin entstanden sein könnte / ist. Der Arbeitgeber wird in diesen Fällen das Risiko von Ersatzurlaubsansprüchen regelmäßig in Kauf nehmen müssen (neben etwaigem Annahmeverzugslohn). Andernfalls müsste er dem Arbeitnehmer, dessen fortbestehendes Arbeitsverhältnis gerade in Streit steht, Urlaub entweder unter Zahlung von Urlaubsentgelt oder mit verbindlicher Zahlungszusage gewähren (vgl. zu Letzterem BAG vom 10. Februar 2015 – 9 AZR 455/13). Insgesamt führt diese Rechtsprechung zu einer verbesserten Verhandlungssituation für Arbeitnehmer im Rahmen gerichtlicher Vergleichsgespräche.
Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung sind nach wie vor arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen zugänglich – vorbehaltlich unverzichtbarer gesetzlicher oder tarifvertraglicher Ansprüche. Umso wichtiger sind wirksam formulierte Verfallklauseln in den Arbeitsverträgen, welche stetig an die aktuelle Rechtslage angepasst werden, aktuell etwa im Hinblick auf die erforderliche Ausklammerung von Ansprüchen auf gesetzlichen Mindestlohn (vgl. BAG vom 18. September 2018 - 9 AZR 162/18).
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