Bundesarbeitsgericht vom 17. Oktober 2018 – 5 AZR 553/17
Die Pressemitteilung zu vorgenannter Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) erregte mit dem zitierten Leitsatz viel Aufmerksamkeit: „Entsendet der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorübergehend zur Arbeit ins Ausland, sind die für Hin- und Rückreise erforderlichen Zeiten wie Arbeit zu vergüten.“.
Das klingt nach einer „Zeitenwende“. Anhand der Entscheidungsgründe des BAG ist allerdings festzustellen, dass nun nicht alles neu und anders wird. Nach wie vor ist zu unterscheiden zwischen Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) und im vergütungsrechtlichen Sinne (§§ 611, 612 BGB), was sich vereinfacht dargestellt wie folgt zusammenfassen lässt:
Nur mit der vergütungsrechtlichen Komponente hatte sich das BAG hier zu befassen. Dem beklagten Arbeitgeber wurde das Fehlen einer Regelung zum Verhängnis.
Ein tarifgebundener Arbeitgeber der Bauindustrie mit wechselnden Baustellen im In- und Ausland entsandte einen technischen Mitarbeiter für zwei Monate nach China. Die Arbeitsvertragsparteien schlossen hierzu einen Entsendevertrag und regelten darin u. a. Fragen der Vergütung während des Einsatzes, Aufwendungsersatz etc., jedoch nichts zur Vergütung von Reisezeit.
Auf Wunsch des Mitarbeiters buchte der Arbeitgeber statt eines zeitlich kürzeren Direktflugs in der Economy Class einen Flug in der Business Class mit Zwischenstopp in Dubai. Für die insgesamt vier Reisetage zahlte der Arbeitgeber dem Mitarbeiter die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung für jeweils acht Stunden.
Der Mitarbeiter klagte vor dem Arbeitsgericht auf Vergütung weiterer 37 Stunden. Denn die gesamte Reisezeit zwischen Wohnung und auswärtiger Arbeitsstelle sei wie Arbeit zu vergüten.
Das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (LAG) gab ihr im Berufungsverfahren statt.
Das BAG hat grundsätzlich anerkannt, dass die Reisezeiten zu vergüten sind, verwies den Rechtstreit aber an das LAG zurück zur Entscheidung über die Höhe der Vergütung.
Wesentlicher als der viel zitierte Leitsatz sind die vom BAG wiederholten, schon seit langem anerkannten Grundsätze:
In dem entschiedenen Fall stellte das BAG fest, dass die Arbeitsvertragsparteien nichts zur Vergütung der Reisezeiten geregelt hatten und der Arbeitnehmer daher – wenngleich nicht ausdrücklich betont – hinsichtlich der Reisezeiten eine berechtigte Vergütungserwartung hat. Zu vergüten seien aber nur – so das BAG weiter – erforderliche Reisezeiten:
Das BAG gestand dem Arbeitnehmer letztlich dem Grunde nach eine Vergütung der Reisezeiten zu, verwies aber den Rechtsstreit an das LAG zurück, um über die Höhe zu entscheiden – unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Arbeitnehmer gerade nicht die kostengünstigste Reise gewählt hatte (statt eines zeitlich kürzeren Direktflugs in der Economy Class einen Flug in der Business Class mit Zwischenstopp in Dubai).
Das BAG setzt seine ständige Rechtsprechung zu den Grundsätzen vergütungspflichtiger Reisezeiten fort und arbeitet diese in seiner Entscheidung vom 17. Oktober 2018 nochmals mustergültig auf, ergänzt um die vorstehend unter (4) und (5) skizzierten Grundsätze zur Beurteilung der Erforderlichkeit von Reisezeiten.
Gleichwohl gibt diese aktuelle Entscheidung Arbeitgebern einmal mehr Anlass, sich der „Zwickmühle“ bewusst zu werden zwischen möglichst mobilen (bzw. aus Arbeitgebersicht: möglichst mobil einsetzbaren) Arbeitnehmern einerseits und der fraglichen bzw. im Zweifel anzunehmenden Vergütungserwartung andererseits.
Arbeitgebern wird nochmals deutlich vor Augen geführt, dass sie das vom BAG anerkannte Gestaltungspotential in Arbeitsverträgen (oder Tarifverträgen) auch tatsächlich nutzen müssen. Stillschweigende Erwartungen helfen nicht.
Auch wenn die Entscheidung keinen Rechtsprechungswandel brachte, wird die Luft für Arbeitgeber doch dünner. Angesichts der großen medialen Aufmerksamkeit in der Tagespresse und der damit verbundenen Sensibilisierung vieler Arbeitnehmer ist Arbeitgebern verstärkte Vorsorge in den Musterarbeitsverträgen anzuraten.
Dabei ist Augenmaß gefragt. „Knausernde“ Arbeitgeber haben es schwerer, reisewillige Arbeitnehmer zu finden.
Zudem verbieten sich schematische Lösungen. Arbeitsvertragliche Dienstreiseregelungen müssen auf die konkreten Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens zugeschnitten sein. Erforderlich ist daher eine Analyse, in welchen Bereichen bzw. bei welchen Arbeitnehmern Dienstreisen anfallen sowie deren Umfang und Häufigkeit. Insoweit sind spezifische Dienstreiseregelungen für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen angezeigt (Innen- oder Außendiensttätigkeit? Sporadische oder regelmäßige Dienstreisen? Im In- oder Ausland? Leitende Angestellte? etc.).
Ähnlich den Grundsätzen zur Überstundenabgeltung ist beispielsweise regelbar, dass
Bei Stundenlohnvergütung oder regelmäßig auch außerhalb der Arbeitszeit reisenden Arbeitnehmern mit Festvergütung macht eine partielle Pauschalabgeltung keinen Sinn. Vielmehr ist in solchen Fällen zu regeln, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe Reisezeiten vergütet werden (u. U. auch mit einem reduzierten Stundensatz), beispielsweise:
„Dienstreisezeiten, die nicht in den vereinbarten Arbeitszeiten liegen, gelten unabhängig vom Verkehrsmittel nur dann als Arbeitszeit, wenn während der Reise über die Fortbewegung hinaus Arbeitsleistungen erbracht werden, z.B. Vorbereitung auf Besprechungen, Telefonate oder andere Arbeiten. Sie werden wie folgt vergütet: …“.
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