Bundesarbeitsgericht vom 25. April 2018 – 5 AZR 245/17
Das Bundesarbeitsgericht hat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt: Unter Umständen gehört das An- und Ablegen einer Dienstkleidung bereits zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Dies gilt jedenfalls dann, wenn vertraglich nichts Anderes vereinbart ist. Das BAG hat nunmehr klargestellt, dass die Vergütungspflicht für Umkleidezeiten sowohl einzel- als auch tarifvertraglich abdingbar ist.
In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall ging es um eine Arbeitnehmerin, die im Dienstleistungsbereich eines Unternehmens für Geld- und Werttransporte beschäftigt war. Arbeitsvertraglich vereinbart war die Pflicht der Arbeitnehmerin, während ihres Dienstes die dafür vorgesehene und vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Dienstkleidung zu tragen. Diese bestand aus Sicherheitsschuhen sowie einem auf Vorder- und Rückseite mit einem gelben Firmenlogo bedruckten, schwarzen Poloshirt. Regelungen zur Vergütungspflicht etwaiger Umkleidezeiten waren weder im Arbeitsvertrag noch in den anwendbaren Tarifverträgen enthalten.
Im Gegensatz zu einem Großteil ihrer Kollegen, erschien die Arbeitnehmerin nicht bereits in ihrer Dienstkleidung im Betrieb, sondern zog sich erst dort um. Für die dafür erforderlichen Umkleidezeiten verlangte sie nunmehr ihre arbeitsvertragliche Vergütung, nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts zu Recht.
Ausgangspunkt der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts war § 611 Abs. 1 BGB. Danach wird derjenige, der Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Zu den „versprochenen Diensten“ i. S. d. § 611 Abs. 1 BGB zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste, ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, mithin fremdnützig im Interesse des Arbeitgebers geschieht.
Das BAG bewertete zumindest das An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung als fremdnützige und damit vergütungspflichtige Arbeit. In diesem Fall habe die Arbeitnehmerin an der Offenlegung der von ihr ausgeübten Tätigkeit gegenüber Dritten außerhalb der Arbeitszeit kein objektiv feststellbares eigenes Interesse. Vielmehr beruhten die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung sowie der damit verbundene zeitliche Aufwand auf der Anweisung des Arbeitgebers, die besonders auffällige Dienstkleidung während der Arbeitszeit zu tragen. Die dafür im Betrieb aufgewandten Umkleidezeiten seien konsequenterweise durch den Arbeitgeber zu vergüten.
Die Entscheidung ist für Arbeitgeber, die das Tragen einer bestimmten Dienstkleidung von ihren Arbeitnehmern zwingend erwarten, von Bedeutung. Denn das BAG bleibt bei der nunmehr als gefestigt anzusehenden Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 6.9.2017 – 5 AZR 382/16), dass das An- und Ablegen auffälliger Dienstkleidung als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu bewerten ist. Das BAG hat dabei nochmals verdeutlicht, wann von einer besonderen Auffälligkeit auszugehen ist. Die Entscheidung ist darüber hinaus und vor allem jedoch von Bedeutung, weil das BAG die Zulässigkeit eines (tarif-)vertraglichen Abweichens von der grundsätzlich bestehenden Vergütungspflicht bejaht.
Eine besonders auffällige Dienstkleidung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer im öffentlichen Raum ohne Weiteres als Mitarbeiter eines bestimmten Unternehmens, ggf. auch nur eines bestimmten Berufszweigs oder einer bestimmten Branche, zugeordnet werden kann. Dann sind die im Betrieb aufgewandten Umkleidezeiten grundsätzlich zu vergüten.
Entscheidet sich der Arbeitnehmer indes eigenständig dazu, eine besonders auffällige Dienstkleidung bereits zu Hause anzulegen, sind die dafür erforderlichen Umkleidezeiten ausnahmsweise nicht zu vergüten. Denn er muss schließlich nicht die eigene Kleidung auf dem Weg zur Arbeit einsetzen. Allerdings ist es nicht möglich, ihn auf dem Weg zur Arbeit zum Tragen der auffälligen Dienstkleidung zu verpflichten. Dies stellte einen unzulässigen Eingriff in die private Lebensführung dar.
Das BAG hat deutlich gemacht, dass eine grundsätzlich bestehende Vergütungspflicht arbeits- bzw. tarifvertraglich ausgeschlossen werden kann.
Die weitere höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Anforderungen an eine besonders auffällige Dienstkleidung, insbesondere zu dem Vorliegen einer solchen aufgrund der Zuordnung zu einem bestimmten Berufszweig bzw. einer bestimmten Branche, bleibt abzuwarten. In diesem Zusammenhang könnte beispielsweise klärungsbedürftig werden, ob allein das Tragen von Sicherheitsschuhen und die damit möglicherweise einhergehende Zuordnung ausreichend ist, um eine grundsätzliche Vergütungspflicht zu begründen.
Ungeachtet dessen besteht jedenfalls die Möglichkeit, auch eine bestehende Vergütungspflicht einzel- bzw. tarifvertraglich abzubedingen. Arbeitgeber sind daher regelmäßig gut beraten, eine entsprechende Klausel zumindest arbeitsvertraglich zu vereinbaren. Die Klausel selbst sollte dann Transparenzgesichtspunkten genügen, d. h. hinreichend klar formuliert sein.
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