BAG ändert Rechtsprechung zu Mehrarbeitszuschlägen - Bundesarbeitsgericht vom 19. Dezember 2018 – 10 AZR 231/18
Regelungen für Mehrarbeitszuschläge dürfen nicht an eine Vollzeitarbeit anknüpfen, sondern müssen sich an der individuell vertraglich vereinbarten Arbeitszeit orientieren. Die vorliegende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts stellt eine Abkehr von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung dar und sollte in der arbeitsvertraglichen Gestaltung zu Mehrarbeits- oder Überstundenzuschlägen umgesetzt werden.
Die Parteien streiten u.a. über tarifliche Zuschläge für Mehrarbeit.
Die beklagte Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Systemgastronomie und beschäftigte die klagende Arbeitnehmerin als stellvertretende Filialleiterin in Teilzeit. Kraft beiderseitiger Tarifbindung fand auf das Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag für Systemgastronomie vom 17. Dezember 2014 Anwendung. Dieser beinhaltet u.a. Regelungen zur Überstundenvergütung. Für Teilzeitbeschäftigte sieht der Manteltarifvertrag ausdrücklich vor, dass Mehrarbeit nur diejenige Arbeitszeit ist, die über die monatliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten hinausgeht. Vollzeitbeschäftigte erhalten einen Mehrarbeitszuschlag, sobald die regelmäßige monatliche Arbeitszeit überschritten ist. Der Manteltarifvertag regelt die Arbeitszeit für eine Vollzeitbeschäftigung. Er gestattet es allerdings, davon abweichende, individuelle Jahresarbeitszeiten einzelvertraglich zu vereinbaren. Davon haben die streitenden Parteien Gebrauch gemacht und vereinbarten eine Teilzeit.
Im streitigen Jahreszeitraum vergütete die Beklagte die von der Klägerin geleisteten Überstunden zwar mit dem Grundgehalt, zahlte jedoch keine Mehrarbeitszuschläge.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass keine Mehrarbeit im Sinne des Manteltarifvertrags gegeben sei, da eben keine Mehrarbeit im Sinne des Manteltarifvertrags geleistet worden sei.
Das Arbeitsgericht Berlin gab der Klage teilweise statt. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück und die eingelegte Revision blieb, soweit hier von Interesse, erfolglos.
Nach Ansicht des BAG ergibt die Auslegung des anzuwendenden Manteltarifvertrags, dass Teilzeitbeschäftigten mit individuell vereinbarten Jahresarbeitszeiten Mehrarbeitszuschläge für Arbeitszeiten zustehen, die über die individuell vereinbarten Jahresarbeitszeiten hinausgehen. Nur diese Auslegung sei mit dem Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG vereinbar. Würde man die tarifvertragliche Regelung anders verstehen, käme es zu einer Benachteiligung von Teilzeitarbeitnehmern. Die Benachteiligung folge daraus, dass die Grenze der erforderlichen Arbeitsstunden für Mehrarbeitszuschläge nicht proportional zur vertraglichen Arbeitszeit vermindert werde. Dadurch werde die Mehrarbeit in der Gesamtschau für einen Teilzeitbeschäftigten schwerer zu erreichen sein als für einen Vollzeitbeschäftigten. Richtigerweise seien die einzelnen Entgeltbestandteile der Arbeitnehmer in Voll- bzw. Teilzeit zu vergleichen, nicht die Gesamtvergütung.
Nachdem der Zehnte Senat noch im April 2017 die gegenteilige Ansicht vertrat, es müsse bei der Beurteilung, ob Teilzeitbeschäftigte benachteiligt werden, auf die Gesamtvergütung, abgestellt werden (BAG 26. April 2017 - 10 AZR 589/15), schließt er sich nunmehr der Rechtsprechung des Sechsten Senats an. Es besteht daher nun für die Vertragspraxis eine einheitliche Rechtsprechung.
Undifferenzierte Regelungen zu Mehrarbeits- und Überstundenzuschlägen für Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte sind unzulässig.
Arbeitgeber, die solche undifferenzierten Regelungen tarif- oder arbeitsvertraglich anwenden, müssen mit höheren Personalkosten rechnen, da Mehrarbeitszuschläge früher als bisher einsetzen.
Insbesondere Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen lassen sich noch im Wege der Auslegung „retten“. Bei Arbeitsverträgen scheidet eine geltungserhaltende Auslegung aber aus AGB-rechtlichen Gründen aus.
Für Arbeitsverträge müssen Regelungen vermieden werden, die auf eine Ungleichbehandlung von Voll- und Teilzeitkräften hinauslaufen.
Ratsam sind daher arbeitsvertragliche Überstundenregelungen, die nicht pauschal an die Vollzeit anknüpfen, sondern an die individuell vereinbarte regelmäßige Wochen- oder Monatsarbeitszeit oder an die individuelle Jahresarbeitszeit.
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