Arbeitgeber, die eine betriebliche Altersversorgung für ihre Mitarbeiter einrichten, werden sich stets gut überlegen, in welchem Umfang sie Versorgungsleistungen versprechen wollen. Neben der Gewährung einer Altersrente und einer Absicherung für den Fall der Invalidität entscheiden sich viele Arbeitgeber auch für die Einführung einer Hinterbliebenenrente. Schließlich ist es für die Mitarbeiter attraktiv, wenn sie für den Fall, dass ihnen etwas zustößt, ihre Hinterbliebenen – insbesondere ihre Ehegatten – abgesichert wissen. Auf der anderen Seite hat der Arbeitgeber ersichtliches Interesse daran, die damit verbundenen finanziellen Risiken möglichst auf einen vernünftigen Rahmen zu begrenzen. Welcher Arbeitgeber möchte schon lebenslange Versorgungsleistungen an einen Ehegatten erbringen, der im Alter von 25 Jahren den 84-jährigen Betriebsrentner noch kurz vor dessen Tod heiratet?
In der jüngeren Vergangenheit hat das BAG wiederholt Gelegenheit gehabt, Regelungen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen, mit denen ein Arbeitgeber die finanziellen Risiken im Zusammenhang mit der Hinterbliebenenversorgung auf ein erträgliches Maß begrenzen wollte. Leider ist es dem BAG dabei bislang noch nicht gelungen, klare und für künftige Fälle vorhersagbare Linien zu ziehen.
Noch mit Entscheidung vom 4. August 2015 (3 AZR 137/13) befand das BAG eine Regelung für nichtig, wonach der überlebende Ehegatte nur dann Versorgungsleistungen erhalten sollte, wenn die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Mitarbeiters geschlossen wurde. Eine solche Klausel, so stellte das BAG apodiktisch fest, sei eine Diskriminierung wegen des Alters und stelle eine übermäßige Beeinträchtigung der legitimen Interessen des Versorgungsberechtigten dar. Ein Versorgungsinteresse bestehe immer und sei unabhängig davon, wann die Ehe geschlossen wurde.
Es folgte die rasche Kehrtwende: Das BAG schloss sich mit Entscheidung vom 14. November 2017 (3 AZR 781/16) der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 24.11.2016 – C-443/15 - Parris) an. Unter ausdrücklicher Abkehr von seiner vorherigen Sichtweise befand es eine Regelung für wirksam, nach der die Ehe bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres geschlossen worden sein muss. Zwar sei in der Klausel eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters zu sehen. Allerdings sei diese nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt, wonach eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zur Sicherung betrieblicher Altersversorgungssysteme erfolgen kann. An der früheren Rechtsprechung, wonach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG nur die Alters- und Invaliditätsversorgung erfasse, wurde nicht festgehalten. Denn auch der EuGH habe in seinem Urteil „Parris“ entschieden, dass eine Hinterbliebenenversorgung, eine Form der Altersrente im Sinne der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie (2000/78/EG) darstelle. Der Wunsch des Arbeitgebers, seine Belastungen aus der Hinterbliebenenversorgung zu begrenzen und kalkulierbar zu machen, stelle ein legitimes Ziel im Sinne des § 10 Satz 1 AGG dar. Danach seien Altersgrenzen nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG zwar grundsätzlich, aber eben nicht immer zulässig. Das BAG stellt – insoweit abweichend vom EuGH – darauf ab, ob die konkrete Altersgrenze erforderlich und angemessen sei. Die zu beurteilende Altersgrenze von 65 Jahren sei zulässig, da diese Altersgrenze auch in § 2 Abs. 1 BetrAVG für die Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft gelte und sie sich deshalb an einem Strukturprinzip des Betriebsrentenrechts orientiere.
Das BAG ließ damit offen, ob eine Späteheklausel zulässig ist, die auf ein geringeres Alter als 65 für die Eheschließung abstellt. Schon die weitere Begründung dieser Entscheidung lässt jedoch weitere Fragen aufkommen. Der Arbeitgeber, so das BAG, sei berechtigt, die Lebensgestaltung des Arbeitnehmers nach dem regelmäßigen Renteneintritt für die betriebliche Altersversorgung unberücksichtigt zu lassen. Bedeutet dies, dass nur eine solche Klausel wirksam sein kann, die auf das Rentenalter abstellt? Oder wäre nach der neuen Sichtweise auch der Ausschluss bei Eheschließung nach Vollendung des 60. Lebensjahres wirksam? Da das BAG zur Begründung und Rechtfertigung einer an sich diskriminierenden Altersgrenze auf das Erreichen einer Altersgrenze nach der Versorgungsordnung (§ 2 Abs. 1 BetrAVG) abstellt, ist es ratsam, eine Spätehenklausel an ebendiese anzuknüpfen.
Eine arbeitgeberfreundliche Haltung nimmt das BAG im Falle von Klauseln ein, die eine Hinterbliebenenversorgung ausschließen, wenn der Altersabstand zwischen den Ehegatten zu groß ist. Im konkreten Fall besagte die vertragliche Regelung, dass überlebende Ehegatten von der Leistung ausgeschlossen seien, wenn sie mindestens 15 Jahre jünger seien als der verstorbene Mitarbeiter. Das BAG befand diesen Ausschluss für zulässig. Eine Altersdiskriminierung liege nicht vor. Denn einem großen Altersabstand innerhalb einer Ehe sei es „typischerweise immanent“, dass der jüngere Ehepartner einen größeren Zeitabschnitt seines Lebens ohne die an die Einkommenssituation des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers gekoppelten Versorgungsmöglichkeiten erleben werde. Es sei daher legitim, wenn ein Arbeitgeber dieses strukturelle Risiko nicht übernehme.
Leider hat das BAG die Praxis im Unklaren darüber gelassen, ob auch ein Altersabstand von 5, 10 oder 12 Jahren bereits ein solches strukturelles Risiko darstellt. Bis auf Weiteres ist es daher zu empfehlen, vorsorglich Klauseln mit einem 15-jährigen Altersabstand vorzusehen.
Ist eine Klausel wirksam, wonach Hinterbliebenenversorgung nur dann gewährt wird, wenn die Ehe im Falle des Todes des Mitarbeiters mindestens zehn Jahre bestanden hat? In seiner jüngsten Entscheidung vom 19. Februar 2019 (3 AZR 150/28) beantwortete das BAG diese Frage mit einem klaren Nein. Im Gegensatz zu den vorher genannten Klauseln kann die Mindestehedauer auch schon in relativ jungen Jahren Bedeutung erhalten, etwa im Fall eines Arbeitnehmers, der im Alter von 32 Jahren bei einem Betriebsunfall verstirbt und erst seit fünf Jahren verheiratet ist. Bei einer Klausel zur Mindestehedauer handelt es sich damit nicht um eine Altersdiskriminierung und das BAG griff bei der Beurteilung ihrer Wirksamkeit auf die allgemeinen Grundsätze der Angemessenheit allgemeiner Geschäftsbedingungen zurück. Im Ergebnis hielt das BAG die Klausel für unwirksam, weil sie eine unangemessene Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB) des Arbeitnehmers darstelle. Die Festlegung einer Mindestehedauer stelle eine Abweichung von der im Gesetz angelegten „Vertragstypik“ dar. Auf diese Weise werde der Zweck der Hinterbliebenenversorgung gefährdet.
Nach der Rechtsprechung sei eine Mindestehedauerklausel zulässig, wenn begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers zur Begrenzung des versorgungsberechtigen Personenkreises vorlägen. Dafür müsse ein innerer Zusammenhang zwischen der gewählten Zeitspanne von zehn Jahren und dem damit verfolgten Zweck bestehen.
Ein solch berechtigtes Interesse wird vom BAG grundsätzlich in der Begrenzung des finanziellen Risikos des Arbeitgebers anerkannt. Denn auch in der gesetzlichen Rentenversicherung gibt es insoweit in § 46 Abs. 2a SGB VI eine Mindestehedauerregelung von einem Jahr.
Entsprechend ist anzunehmen, dass das BAG eine hieran orientierte Mindestehedauerklausel auch für zulässig erachten dürfte. Eine effektive Begrenzung des mit einer Hinterbliebenenversorgung verbundenen wirtschaftlichen Risikos würde nur geringfügig erreicht.
Die Entscheidungen des BAG zeigen, dass Versorgungspläne nur anhand des zum Betriebsrentenrecht ergangenen „Case Law“ gestaltet werden können, wobei selbst dies nicht vollständig verlässlich ist. Dieser Befund beruht nicht zuletzt auf zahllosen unbestimmten Rechtsbegriffen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sowie im auch hier anwendbaren Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB). Ob dieser Umstand zur von der Politik sehnlichst herbeigewünschten weiteren Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung beitragen kann, ist zu bezweifeln.
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