(Gesetzgebung)
Am 24. Februar 2016 ist das Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts in Kraft getreten ist. Es ändert u. a. den Wortlaut von § 309 Nr. 13 BGB mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2016. Die Neufassung verbietet die arbeitsvertragliche Vereinbarung von Schriftformerfordernissen für einseitige Erklärungen des Arbeitnehmers.
Im Gesetz gibt es unterschiedliche Formerfordernisse, die im Rahmen der Arbeitsvertragsgestaltung herangezogen werden können:
Schriftform heißt, dass die jeweilige Erklärung handschriftlich unterzeichnet werden muss. Unterschriftenstempel oder eingescannte Unterschriften genügen nicht. Die Schriftform ist gesetzlich z. B. in folgenden Fällen zu beachten:
Soll die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform nach einer gesetzlichen Regelung durch die elektronische Form ersetzt werden, muss nach § 126a BGB der Erklärende seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen.
Systematisch dürfen Vertragspartner die elektronische Form immer dann anstelle der Schriftform verwenden, wenn sie nicht gesetzlich ausdrücklich ausgeschlossen ist. Einen Ausschluss enthält beispielsweise § 623 Halbsatz 2 BGB hinsichtlich der Kündigung von Arbeitsverhältnissen. Der Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen ist indessen mittels der elektronischen Form wirksam – § 14 Abs. 4 TzBfG schließt die elektronische Form nicht aus.
In der Praxis konnte sich die elektronische Form nicht durchsetzen. Sie scheitert oft an dem technischen Erfordernis der qualifizierten elektronischen Signatur, die nur bei wenigen Unternehmen und Arbeitnehmern vorhanden ist.
Als dritte Form regelt das Gesetz die Textform (§ 126b BGB). Sie verlangt „nur“ die Abgabe einer lesbaren Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist. Die Erklärung muss auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Einer handschriftlichen Unterzeichnung bedarf es nicht. Der Datenträger kann aus Papier oder elektronisch sein. Paradebeispiele sind Telefaxe, E-Mails etc. Im Vergleich zu den anderen Formen stellt die Textform inhaltlich und technisch die geringsten Anforderungen.
Schriftform verlangt zwar eine eigenhändige Unterschrift (§ 126 Abs. 1 BGB). Jedoch genügt zur Wahrung der Schriftform die telekommunikative Übermittlung (Telefax, E-Mail etc.), soweit nicht ein anderer Wille der Parteien anzunehmen ist (§ 127 Abs. 2 BGB).
Viele Verträge verlangen zwar Erklärungen in Schriftform, beispielsweise für die Geltendmachung von Ansprüchen. Tatsächlich können die Erklärungen aber auch in Textform abgegeben bzw. übermittelt werden, soweit – wie im Regelfall – nichts Abweichendes vereinbart wurde. Insoweit ähnelt die vereinbarte Schriftform in ihrer Handhabung oft der Textform.
Davon ließ sich der Gesetzgeber bei der Neufassung von § 309 Nr. 13 BGB leiten. Viele Verbraucher wüssten nicht, dass sie die Schriftform, sofern nichts anderes geregelt wurde, nicht nur durch eigenhändige Unterschrift und Übersendung per Post wahren können, sondern auch durch die Textform. Textform sei insoweit auch ausreichend.
Mit der am 1. Oktober 2016 in Kraft tretenden Neufassung von § 309 Nr. 13 BGB wird die Textform erheblich gestärkt.
Die Neufassung untersagt bei nicht beurkundungsbedürftigen Verträgen (wie einem Arbeitsvertrag) Bestimmungen, durch die Anzeigen oder Erklärungen gegenüber dem Arbeitgeber oder einem Dritten an eine strengere Form als die Textform gebunden werden.
§ 309 Nr. 13 BGB gilt zwar nur, wenn dem Vertrag der Charakter von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zukommt. Arbeitsverträge sind jedoch i. d. R. für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert, daher als AGB zu betrachten und von den Arbeitsgerichten von Amts wegen nach dem Recht der AGB (§§ 305 ff. BGB) überprüfbar. Dies gilt selbst dann, wenn Arbeitsverträge nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind.
Der neue § 309 Nr. 13 BGB gilt nur für Schuldverhältnisse, die nach dem 30. September 2016 entstanden sind. Die Entstehung eines Arbeitsverhältnisses verlangt nach der vom Bundesarbeitsgericht vertretenen Vertragstheorie den Abschluss eines Arbeitsvertrags (BAG, Urt. v. 27.9.2012 – 2 AZR 838/11). Den unbefristeten Arbeitsvertrag können die Parteien stillschweigend oder ausdrücklich mündlich, schriftlich oder auf anderem Wege schließen.
Ausschlussfristen (Verfallklauseln) sind eine ratsame und gängige Praxis in vielen Arbeitsverträgen.
Einstufige Ausschlussfristen regeln, dass Ansprüche der Beteiligten innerhalb einer bestimmten Frist in einer bestimmten Form geltend zu machen sind. Laut Bundesarbeitsgericht muss die Frist mindestens drei Monate betragen.
Zweistufige Ausschlussfristen sehen vor, dass nach dem erfolglosen Ablauf einer ersten Frist (erste Stufe) eine gerichtliche Geltendmachung (zweite Stufe) erforderlich ist, wenn der Verfall des geltend gemachten Anspruchs verhindert werden soll.
Die bisherige Fassung von § 309 Nr. 13 BGB gestattete für die Geltendmachung von Ansprüchen zur Wahrung von Ausschlussfristen als strengste Form die Schriftform. Aus Gründen der Nachweisbarkeit verlangten Verfallklauseln daher bislang zumeist eine schriftliche Geltendmachung (Schriftform).
Der neue § 309 Nr. 13 BGB untersagt im Ergebnis die Vereinbarung einer strengeren Form als der Textform. Betroffen sind auch Verfallklauseln in Arbeitsverträgen.
Nach AGB-rechtlichen Grundsätzen ist es unzulässig, in Arbeitsverträgen, welche ab dem 1. Oktober 2016 geschlossen werden, vereinbarte Ausschlussfristen, die eine schriftliche Geltendmachung verlangen, geltungserhaltend zu reduzieren bzw. so auszulegen, dass sie nur noch Textform verlangen. Vielmehr ist die Regelung vollständig unwirksam. Arbeitnehmer haben dann für die Geltendmachung von Ansprüchen deutlich mehr Zeit und wären – soweit nicht tarifvertragliche Ausschlussfristen gelten – lediglich durch die dreijährige Verjährungsfrist beschränkt.
Arbeitgeber sollten spätestens ab dem 1. Oktober 2016 für neu abgeschlossene Arbeitsverträge keine Verfallklauseln mehr verwenden, die eine schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen verlangen. Sie sollten nur noch die Textform vorsehen.
Der alte und neue § 309 Nr. 13 BGB erfasst lediglich Anzeigen oder Erklärungen, die gegenüber dem Verwender (hier: Arbeitgeber) abzugeben sind. Auf zweiter Stufe einer Ausschlussfrist wird indessen nicht die Erklärung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber an eine besondere Form gekoppelt. Vielmehr wird das Schicksal der geltend gemachten Ansprüche mit der gerichtlichen Geltendmachung – und den diesbezüglich gesetzlich geregelten Formalien – verknüpft. Die Neufassung von § 309 Nr. 13 BGB hat somit wohl keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit der zweiten Stufe einer solchen Verfallklausel.
Ungewiss ist, wie sich die Rechtsprechung diesbezüglich positionieren wird. Arbeitgeber können dennoch ihre zweistufigen Verfallklauseln beibehalten. Sie sind nach AGB-rechtlichen Grundsätzen vor einer vollständigen Unwirksamkeit zweistufiger Verfallklausel geschützt, sofern beide Stufen getrennt geregelt sind. Selbst wenn Arbeitsgerichte angesichts des neuen § 309 Nr. 13 BGB die zweite Stufe von Verfallklauseln künftig für unzulässig erachten sollten, verbliebe die wirksam geregelte erste Stufe.
Ausschlussfristen in Tarifverträgen werden von der Gesetzesänderung nicht berührt. AGB-Recht findet auf Tarifverträge keine Anwendung (§ 310 Abs. 4 S. 1 BGB). Wie verhält es sich aber, wenn Arbeitsverträge auf Tarifverträge Bezug nehmen?
Hier hilft die Rechtsprechung zu Bezugnahmen auf Tarifverträge mit Ausschlussfristen, welche kürzer als drei Monate und daher in Arbeitsverträgen eigentlich unwirksam sind. Bei einer vollständigen Bezugnahme auf einschlägige Tarifverträge gilt nichts anderes als im Falle einer unmittelbaren, normativen Geltung von Tarifverträgen (BAG, Urt. v. 18.9.2012 – 9 AZR 1/11). Auch insoweit findet also keine AGB-Kontrolle statt. Riskant hingegen sind
In solchen Fällen bejaht die herrschende Meinung eine AGB-Kontrolle. Die dergestalt in Bezug genommenen Bestimmungen (hier: Ausschlussfristen) werden so gelesen als stünden sie im Arbeitsvertrag und unterliegen somit der AGB-Kontrolle. Sehen sie entgegen der Neufassung von § 309 Nr. 13 BGB eine strengere Form als die Textform vor, sind auch sie im Verhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien unwirksam.
Arbeitsverträge enthalten oft sog. doppelte Schriftformklauseln, wonach Änderungen oder Ergänzungen nur schriftlich wirksam sind und auch die Änderung des Schriftformerfordernisses nur schriftlich möglich ist. Solche Klauseln sind nach aktueller Rechtsprechung nur dann wirksam, wenn sie entsprechend dem AGB-rechtlichen Grundsatz des Vorrangs der Individualabrede (§ 305b BGB) formuliert sind.
Eine Umstellung auf Textform ist infolge des neuen § 309 Nr. 13 BGB aber nicht erforderlich. Er erfasst lediglich (einseitige) Anzeigen und Erklärungen, nicht aber einvernehmliche, also zweiseitige Regelungen zwischen den Parteien.
Viele Arbeitsverträge enthalten weitere Regelungen, nach denen Arbeitnehmer schriftlich Erklärungen abgeben oder Anzeigen machen müssen. Dies betrifft u. a. die Vorabgenehmigung von Dienstreisen bzw. Auslagen in besonderer Höhe, die Anzeige von Nebentätigkeiten, Schadensmitteilung bei Dienstwagen etc. Infolge der Neufassung von § 309 Nr. 13 BGB sind auch diese Regelungen anzupassen.
§ 309 Nr. 13 BGB findet grundsätzlich auch im Geschäftsführerdienstverhältnis Anwendung. Dabei ist zwischen Gesellschafter-Geschäftsführern und Fremdgeschäftsführern (nicht am Stammkapital beteiligt) zu differenzieren. Gesellschafter-Geschäftsführer sind wegen ihrer Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft i. d. R. nicht als Verbraucher i. S. d. §§ 13, 309 Nr. 13 BGB einzuordnen. Fremdgeschäftsführer hingegen betrachtet das Bundesarbeitsgericht zumindest bei Abschluss ihres Anstellungsvertrags als Verbraucher (BAG, Urt. v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09).
Verschiedentlich tauchen Ausschlussfristen auch in Verträgen mit freien Mitarbeitern (Freelancern), in bestimmten Konstellationen auch in Verträgen mit Einzelwerkunternehmern auf. Zum Teil geschieht dies nur im Interesse eines schnellen Rechtsfriedens, teilweise aber auch gerade wegen der Risiken im Falle der sog. Scheinselbständigkeit bzw. Einordnung als Arbeitnehmer. Soweit solche Mitarbeiter tatsächlich „frei“, also außerhalb eines Arbeitsverhältnisses tätig werden, sind sie Unternehmer i. S. d. § 14 BGB, also nicht Verbraucher, so dass § 309 Nr. 13 BGB auf sie keine Anwendung findet (§ 310 Abs. 1 Satz 1 BGB). Anders verhält es sich, wenn eine Scheinselbständigkeit und daher ein Arbeitsverhältnis anzunehmen wäre.
Auch Ausschlussklauseln und sonstige relevante Regelungen in künftigen Anstellungsverträgen von Fremdgeschäftsführern und „Freien Mitarbeitern“ sollten keine strenge Form als die Textform vorsehen.
Wie verhält es sich in Fällen, in denen bereits vor dem 1. Oktober 2016 abgeschlossene, u. U. schon seit vielen Jahren bestehende Verträge eine an die Schriftform gekoppelte Ausschlussfrist regeln (in Übereinstimmung mit der alten Fassung des § 309 Nr. 13 BGB), diese Verträge aber nach dem 30. September 2016 außerhalb der Verfallklausel im Rahmen von Ergänzungsvereinbarungen modifiziert werden? Wie wirkt es sich aus, wenn man bei dieser Gelegenheit die Anpassung der Ausschlussfrist an den neuen § 309 Nr. 13 BGB versäumt?
Diese Konstellation ist in der vorgenannten – lediglich auf das Entstehen des Arbeitsverhältnisses abstellenden – Übergangsvorschrift nicht geregelt. Insoweit ist ungeklärt, ob jede Vertragsänderung ein neues Schuldverhältnis i. S. d. Übergangsvorschrift darstellt, für das der neue § 309 Nr. 13 BGB gilt. Unseres Erachtens zu Recht führen Lingemann / Otte (NZA 2016, S. 519, 521) aus, dass dies nicht der Fall ist, sondern es wird nur ein bestehendes Schuldverhältnis verändert, so dass der neue § 309 Nr. 13 BGB keine Anwendung findet.
Andererseits muss man die Rechtsprechung zur Gewährung von Vertrauensschutz beachten, etwa im Zusammenhang mit dem Widerruf von privat nutzbaren Dienstwagen. Der 5. und 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts sind sich bislang nicht einig, ob Vertrauensschutz (schon/nur) gewährt werden kann, wenn der Vertrag seit der maßgeblichen Änderung der Rechtslage unverändert geblieben ist oder ob der Arbeitgeber zudem den Versuch unternommen haben muss, den Vertrag an die geänderte Rechtslage anzupassen. Entsprechende Entscheidungen existieren zur Gleichstellungsabrede (vgl. etwa BAG, Urt. v. 13.5.2015 – 4 AZR 244/14). Bei der Änderung eines „Altvertrags“ komme es für die Beurteilung, ob die Auslegungsmaßstäbe für „Neu-“ oder für „Altverträge“ maßgebend sind, darauf an, ob die ursprüngliche vertragliche Regelung in der nachfolgenden Vertragsänderung zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der beteiligten Vertragsparteien gemacht worden ist. Ein deutliches Anzeichen dafür sei bspw. in der ausdrücklichen Vereinbarung zu sehen, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“. Eine solche Regelung hindere die Annahme eines „Altvertrags“ und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes.
Der durch den neuen § 309 Nr. 13 BGB bedingte Anpassungsbedarf ist bei künftigen Anstellungsverträgen beherrschbar, solange man sämtliche Formvorschriften auf den Prüfstand stellt. Unerkannte Risiken drohen aber bei nachträglichen Änderungen von Verträgen, die bereits vor dem 1. Oktober 2016 geschlossen wurden. Hier sind im Zweifel neben der eigentlich beabsichtigten Änderung auch die dem neuen § 309 Nr. 13 BGB nicht mehr entsprechenden Regelungen anzupassen.
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