Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz („LkSG“) war als deutscher Alleingang von Anfang an bei der EU-Kommission nicht beliebt. Es war daher nur eine Frage der Zeit, wann es eine EU-Lieferkettenrichtlinie geben würde. Nun haben sich die EU-Gremien auf die Verabschiedung einer „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ („CS3D“) sowie deren Inhalt geeinigt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird diese Richtlinie noch bis zum Ende der derzeitigen EU-Legislaturperiode verabschiedet und dann im Juni 2024 in Kraft treten. Innerhalb von zwei Jahren ist sie dann durch die EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen.
Damit stellt sich insbesondere für deutsche Unternehmen die Frage, welche neuen Verpflichtungen zusätzlich zu dem LkSG ab Mitte 2026 auf sie zukommen werden.
In Bezug auf Sorgfaltspflichten, die Unternehmen nach dem LkSG treffen, sieht die CS3D einen ähnlichen Ansatz vor: Risikoanalyse, Einrichtung eines Risikomanagementsystems sowie Präventions- und Abhilfemaßnahmen. Grundsätzlich können die Vorgaben, die die CS3D an die Mitgliedsstaaten stellt, weitgehend als mit dem LkSG bereits umgesetzt und erfüllt angesehen werden. Die teilweise sehr offenen Formulierungen der CS3D erlauben es aber, über die im LkSG statuierten Pflichten hinauszugehen und das LkSG auf Grundlage der CS3D zu verschärfen. Hier besteht deshalb ein Umsetzungsspielraum nicht nur in Deutschland, sondern für alle Mitgliedstaaten. Weitere nationale Sonderwege sind zu befürchten.
Während nach dem LkSG die Risikoanalyse bei mittelbaren Zulieferern nur anlassbezogen bei substantiierter Kenntnis eines Risikos für menschenrechts- und umweltbezogene Verletzungen durchgeführt werden muss, ist diese nach der CS3D in Zukunft von vornherein auf alle Geschäftspartner zu beziehen, soweit sie der Wertschöpfungskette („chain of activites“) angehören. Damit beziehen sich die Vorgaben der CS3D nicht nur auf Zulieferer, sondern auf alle Geschäftspartner – einschließlich Vertriebspartner.
Präventionsmaßnahmen sind nun gleichermaßen gegenüber allen Geschäftspartnern und in Bezug auf mittelbare Geschäftspartner nicht mehr nur bei substantiierter Kenntnis von Risiken zu ergreifen.
Abhilfemaßnahmen, die das Unternehmen bei konkreten menschenrechts- und umweltbezogenen Verletzungen zu ergreifen hat, werden konkretisiert. So ist der gemeinsame Plan, um das Konzept zur Beendigung und Minimierung der Pflichtverletzungen umzusetzen, nun gleichermaßen mit unmittelbaren wie mittelbaren Geschäftspartnern zu erarbeiten. Die CS3D verlangt zudem, dass Unternehmen vertragliche Zusicherungen einholen müssen, damit das Abhilfekonzept vom betroffenen Geschäftspartner selbst und seinen Partnern entlang der Wertschöpfungskette eingehalten wird. Das Unternehmen trifft hier außerdem Überprüfungspflichten, wobei wiederum auf unabhängige, externe Verifikationsverfahren zurückgegriffen werden kann.
Zum einen spezifiziert die CS3D nun einige, bereits im LkSG allgemein vorgesehene menschenrechtsbezogene Risiken. Der Katalog wird um neue, bislang nicht erfasste Risiken erweitert. Nach der CS3D bestehen weitere Verpflichtungen zum Schutz der Privatsphäre, der Familie, der Wohnung und des Schriftverkehrs, der Ehre sowie Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit nach Art. 17, 18 UNO-Pakt II.
Zum anderen ergänzt die CS3D auch die im Rahmen der Sorgfaltspflichten des LkSG zu beachtenden umweltbezogenen Risiken um weitere internationale Abkommen. Hierzu gehören nun:
Unternehmen müssen nun einen Übergangsplan zur Eindämmung des Klimawandels aufstellen und in der Wertschöpfungskette umsetzen. Dieser Plan soll sicherstellen, dass Geschäftsmodell und Strategie auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind und im Einklang mit den Zielen der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C sowie der Klimaneutralität stehen.
Der Plan soll insbesondere zeitlich definierte Klima- und Emissionsreduzierungsziele, Dekarbonisierungsmaßnahmen und weitere Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels enthalten sowie auch Investitionen und Finanzmittel zu deren Umsetzung darstellen. Er ist jährlich zu aktualisieren und muss auch Fortschritte bei der Erreichung der Ziele beschreiben.
Falls bereits im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach RL 2013/34/EU (zuletzt geändert durch die Richtlinie zur unternehmerischen Nachhaltigkeitsberichterstattung (EU) 2022/2464 bzw. Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD) ein Übergangsplan zur Eindämmung des Klimawandels erstellt wird, gilt diese Pflicht als bereits erfüllt.
Nach dem LkSG gelten die Pflichten für alle Unternehmen mit Sitz oder Zweigniederlassung und mindestens 1.000 Arbeitnehmern in Deutschland. Nach der CS3D sind EU-Unternehmen verpflichtet, wenn sie für sich als auch als Gruppe sowohl weltweite Nettoumsatzerlöse (Art. 2 Abs. 5 Bilanz-RL 2013/34/EU) als auch in der Anzahl der Arbeitnehmer bestimmte Grenzen überschreiten:
Unternehmen aus Drittländern können auch verpflichtet sein, soweit ihre Nettoumsatzerlöse in der EU den jeweiligen Schwellenwert für den Nettoumsatz von EU-Unternehmen überschreiten. Mit Inkrafttreten der finalen Schwellenwerte (Mitte 2029) gilt die CS3D auch für Franchise-/Lizenzsysteme in sowie außerhalb der EU, die in der EU-Lizenzgebühren von mehr als € 22,5 Millionen und einen EU-weiten Nettoumsatzerlös von € 80 Millionen pro Jahr erzielen.
Zusätzlich sind Unternehmen aus Drittstaaten dazu verpflichtet einen „authorized representative“ zu benennen.
Anders als das LkSG sieht die CS3D auf allen Ebenen der Sorgfaltsverpflichtungen besondere Rücksichtspflichten gegenüber KMUs (kleine und mittlere Unternehmen) vor, die sich bis hin zu einer substantiellen, finanziellen Unterstützung ausweiten können. So sind Unternehmen bspw. verpflichtet, gegenüber KMUs die Kosten einer unabhängigen, externen Verifikation zu übernehmen.
Bei Verletzung der Sorgfaltspflichten der CS3D können Geldbußen gegen Unternehmen bis zu einer Höhe „von nicht weniger als“ 5 % des weltweiten Nettoumsatzerlöses verhängt werden, wohingegen § 24 Abs. 3 LkSG bisher nur eine Geldbuße von maximal 2 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes vorsieht.
Die CS3D sieht nun die zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für Verletzungen von Sorgfaltspflichten ausdrücklich vor Es besteht ein unbegrenzter Schadensersatzanspruch für Schäden an, nach dem im jeweiligen Land geschützten Rechtsgütern natürlicher und juristischer Personen. Eine Haftung tritt nicht ein, wenn der Schaden nur von Geschäftspartnern in der Wertschöpfungskette des Unternehmens verursacht wurde und keine eigene Sorgfaltspflichtenverletzung vorliegt.
Die Richtlinie (EU) 2019/1937 (Whistleblower-RL) gilt für die Meldung von Verstößen gegen die nationalen Maßnahmen zur Umsetzung der CS3D und für den Schutz von Personen, die solche Verstöße melden.
Insgesamt dürfte die CS3D für deutsche Unternehmen keine Überraschung sein. Für KMUs und Unternehmen mit einem geringeren Nettoumsatzerlös als € 450 Millionen könnte die CS3D sogar eine Erleichterung bringen. Allerdings – und das ist eine grundsätzliche Kritik sowohl an LkSG wie auch CS3D – werden derartige Anforderungen an die Wertschöpfungskette zugleich eine erhebliche Marktzugangsbeschränkung für viele Länder des globalen Südens sein. Es ist zu hoffen, dass sich die Privilegierung der KMUs nicht auch in einer Konzentration auf kostengünstigere Großunternehmen niederschlägt. Besonderer Schutz kann auf dem Markt auch eine Bürde sein.
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