BFH-Urteil zur Besteuerung von Veräußerungsgewinnen verschiedener Kryptowährungen und Entwurf eines BMF-Schreibens zu Steuererklärungs-, Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten
Mit dem Newsletter vom 29. September 2022 haben wir die wichtigsten steuerrechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Besteuerung von Kryptowährungen1 und Blockchain-Transaktionen zusammengefasst.
Als Wegweiser für die steuerrechtliche Einordnung dieser digitalen Sachverhalte dienten bislang vor allem das Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen („BMF“) vom 10. Mai 20222 sowie die bisher ergangenen erstinstanzlichen Finanzgerichtsentscheidungen3. Da der Steuerpflichtige in dem Verfahren vor dem Finanzgericht Köln gegen das erstinstanzliche Urteil Revision eingelegt hatte, hatte nun erstmals der Bundesfinanzhof („BFH“) die Möglichkeit, sich mit den Grundsätzen der Besteuerung von Kryptowährungen zu beschäftigen. In diesem Newsletter fassen wir die wichtigsten Erkenntnisse aus dem BFH-Urteil vom 14. Februar 2023 zusammen.4
Nicht zuletzt unerwähnt bleiben sollte auch der Entwurf eines BMF-Schreibens zu den „Steuererklärungs-, Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten bei der ertragsteuerlichen Behandlung von Kryptowährungen und sonstigen Token“, auf das wir im zweiten Teil dieses Newsletters eingehen werden.
Mit Urteil vom 14. Februar 2023 hat der BFH nunmehr über die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen von im Privatvermögen gehaltenen Kryptowährungen in der Gestalt von Currency Token entschieden.
Der dem BFH zur Entscheidung vorgelegte Sachverhalt bezog sich dabei konkret auf die Currency Token Bitcoin („BTC“), Ether („ETH“) und Monero („XMR“). Der Steuerpflichtige erwarb in den Jahren 2014 bis 2016 über eine Handelsplattform zunächst BTC. Im Streitjahr 2017 tauschte er die im Privatvermögen gehaltenen BTC durch zahlreiche Transaktionen auf verschiedenen Handelsplattformen in ETH und XMR um und dann wieder in BTC zurück. Durch die Tauschvorgänge erzielte er einen Gewinn in Millionenhöhe. Andere Blockchain-Transaktionen wie z.B. Mining nahm der Steuerpflichtige nicht vor.
Currency Token (wie z.B. BTC, ETH und XMR) gehören zu den „anderen Wirtschaftsgütern“, die Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG sein können.
Der einkommensteuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsgutes ist weit zu fassen5 und auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen.6 Erfasst werden grundsätzlich alle Wirtschaftsgüter im Privatvermögen, d.h. Sachen und Rechte, tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und vermögenswerte Vorteile jedweder Art, hiervon ausgenommen sind nur Gegenstände des täglichen Gebrauchs. Aufgrund des weiten Begriffsverständnisses kann auch eine zivilrechtlich nicht oder nur beschränkt übertragbare Rechtsposition steuerrechtlich als eigenständiges Wirtschaftsgut angesehen werden, wenn der kommerzialisierbare Teil dieser Rechtsposition einem Dritten entgeltlich überlassen und dadurch wirtschaftlich verwertet werden kann.
Unabhängig von der zivilrechtlichen Übertragbarkeit der Currency Token kommt es für die Qualifikation als Wirtschaftsgut entscheidend auf die faktische Verwertungsmöglichkeit der Currency Token auf Handelsplattformen an.
Die Currency Token BTC, ETH und XMR sind digitale Vermögenswerte, die zwischen den Beteiligten als Zahlungsmittel genutzt werden können. Dem steht nicht entgegen, dass sie weder unter den zivilrechtlichen Begriff des Geldes fallen noch als elektronisches Geld einzuordnen sind. Denn die Currency Token sind wie reale Zahlungsmittel einzeln übertragbar bzw. tauschbar und in kleinere Untereinheiten teilbar. Darüber hinaus verfügen sie aufgrund des Handels auf speziellen Handelsplattformen bzw. Börsen (sog „Exchanges“) über einen zeitaktuellen Kurswert und sind damit realisierbar.
Daraus folgt die objektive Werthaltigkeit und damit selbstständige Bewertbarkeit von Currency Token. Dem objektiven Werthaltigkeit steht auch nicht entgegen, dass die Realisierbarkeit aufgrund möglicher Kurszuwächse oder -verluste risikobehaftet ist. Der BFH hat deutlich gemacht, dass das damit einhergehende Spekulationspotential keine Vergleichbarkeit mit reinen Glücksspielen begründet. Denn bei reinen Glücksspielen geht die zufallsabhängige Gewinnchance nach Maßgabe der jeweiligen Spielregeln bei Spielende unter. Hingegen steht dem Inhaber von Currency Token nach der maßgeblich von hochspekulativen Investitionen und einem bestimmbaren, marktüblichen Handels- oder Umtauschwert geprägten Verkehrsanschauung ein wirtschaftlich ausnutzbarer Vermögensvorteil zur Verfügung.
Überdies hat der BFH bestätigt, dass die Wirtschaftsgutqualität von Currency Token zumindest mittelbar aus der strukturellen Vergleichbarkeit mit Fremdwährungen gefolgert werden kann, auch wenn Currency Token in Deutschland (noch) nicht als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt sind. Denn die Vergleichbarkeit mit Fremdwährungen ergibt sich jedenfalls aus der bestehenden Bereitschaft Dritter zum Tausch.
Die vom Steuerpflichtigen erworbenen, getauschten und wieder veräußerten Currency Token BTC, ETH und XMR sind dem Steuerpflichtigen nach § 39 Abs. 1 AO steuerlich zuzurechnen.
Die steuerliche Zurechnung des Wirtschaftsguts ist für die Bestimmung des Rechtsträgerwechsels im Rahmen der Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge nach § 23 Abs. 1 EStG ausschlaggebend. Dabei werden Tauschvorgänge den Anschaffungs- und Veräußerungsvorgängen gleichgestellt. Currency Token werden angeschafft, indem sie im Tausch gegen Fiat-Währungen (Euro oder eine andere Fremdwährung) oder gegen andere Kryptowährungen erworben werden. Currency Token werden veräußert, indem sie in eine Fiat-Währung oder in eine andere Kryptowährung um- oder zurückgetauscht werden.
Wirtschaftsgüter werden grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zugerechnet (§ 39 Abs. 1 AO). Abweichend hiervon werden Wirtschaftsgüter dem wirtschaftlichen Eigentümer zugerechnet, wenn dieser den zivilrechtlichen Eigentümer durch die Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO).
Nach Auffassung des BFH erfolgt die steuerliche Zurechnung von Currency Token entgegen der Auffassung der Finanzgerichte und des BMF bereits nach § 39 Abs. 1 AO. Nach dem weit auszulegenden Begriffsverständnis des BFH kommt es bei einer zivilrechtlich nicht oder nur beschränkt übertragbaren, wirtschaftlich jedoch werthaltigen Position für die Zurechnung auf die faktische Verfügungsberechtigung (im Sinne einer unbeschränkten Herrschaftsmacht) an. Diese faktische Verfügungsberechtigung folgt bei der Zurechnung von Currency Token aus der Inhaberschaft des „Private Key“.
In den finanzgerichtlichen Verfahren hatten die Kläger immer wieder vorgetragen, dass die Besteuerung von Kryptowährungen aufgrund eines normativen Vollzugsdefizits zu einer gleichheitswidrigen oder sonst rechtswidrigen Besteuerung führt und deshalb verfassungswidrig sei. Der BFH hat das Vorliegen eines strukturellen Vollzugsdefizits bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen mit Kryptowährungen unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verneint.7Für die Annahme einer gleichheitswidrigen Besteuerung genügt nicht schon jeder tatsächlich feststellbare Vollzugsmangel. Nur wenn das Umsetzungsdefizit in der Regelung selbst angelegt ist oder wenn gehäufte oder gar systematische Verstöße nicht konsequent geahndet und unterbunden werden, prägt dies die tatsächliche Handhabung der Regelung und lässt auf Defizite der normativen Sicherung schließen. Der Besteuerungstatbestand des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG stellt keine widersprüchlich auf Ineffektivität angelegte gesetzliche Regelung dar.
Mögliche, auf der Anonymisierung oder Globalisierung des Handels über europäische oder außereuropäische Handelsplattformen zurückzuführende Vollzugsschwierigkeiten stehen der Steuererhebung nicht entgegen. Auch eine bewusst geschaffene oder gesetzlich vorgegebene Kontrolllücke ist nicht feststellbar. Vielmehr besteht nach Ansicht des BFH für Finanzbehörden schon heute unter den maßgeblichen gesetzlichen Voraussetzungen die Möglichkeit, die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte im Rahmen von Sammelauskunftsersuchen auch bei den Betreibern der Handelsplattformen einzuholen. Zudem sollen Vollzugsschwierigkeiten auf internationaler Ebene zukünftig durch den internationalen Austausch steuerlich relevanter Daten zu Kryptowährungen u.a. in Gestalt des Crypto-Asset Reporting Frameworks (CARF) vermieden werden.
Das BFH-Urteil befasste sich nur mit der Besteuerung von im Privatvermögen gehaltenen Currency Token. Die dargestellten Grundsätze sollten aber auch auf im Betriebsvermögen gehaltene Currency-Token anwendbar sein. Abzuwarten bleibt allerdings, inwiefern sich die zuvor dargestellten Grundsätze auch auf die Besteuerung von Utility Token und Security Token übertragen lassen.
Das BMF hatte den Entwurf eines BMF-Schreibens zu den „Steuererklärungs-, Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten bei der ertragsteuerlichen Behandlung von Kryptowährungen und sonstigen Token“ vom 18. Juli 2022 an Verbände und ausgewählte Interessenvertreter übersandt. Die Verbände und ausgewählten Interessenvertreter hatten die Möglichkeit zur Stellungnahme bis zum 29. August 2022. Die Veröffentlichung des finalen BMF-Schreibens steht noch aus.
Das BMF äußert sich in dem Entwurf zu den allgemeinen Pflichten im Zusammenhang mit den Angaben in den Steuererklärungen sowie insbesondere zu Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten bei im Betriebs- und Privatvermögen gehaltenen Einheiten von Kryptowährungen und sonstigen Token. Während das Halten im Betriebsvermögen umfassende Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten - neben Unterlagen in Papierform auch in Form von Daten, Datensätzen und elektronischen Unterlagen (ggfs. nach GoBD-Grundsätzen) - begründet, hängt der Umfang beim Halten im Privatvermögen von der Höhe der erzielten Überschusseinkünfte ab. Bei Überschusseinkünften in Höhe von mehr als EUR 500.000,00 sind die Aufzeichnungen und Unterlagen 6 Jahre aufzubewahren. Unterhalb dieses Schwellenwertes sind lediglich die allgemeinen Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten einzuhalten. Bei Auslandssachverhalte besteht für Steuerpflichtige eine erhöhte Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflicht. Dies gilt auch und insbesondere für dezentrale Transaktionen ohne die Nutzung einer Handelsplattform als Intermediär (Decentralized Finance - DeFi), bei der es keinen KYC-Prozess gibt.8
Das BMF hat in seinem Entwurf einen Katalog an Informationen genannt, die es grundsätzlich von den Steuerpflichtigen fordert, um bei Zweifeln eine Schätzung der Bemessungsgrundlage hinsichtlich der Einkünfte mit Kryptowährungen zu verhindern:
Das für Steuerpflichtige zuständige Finanzamt stellt ihnen auf Anfrage ein geeignetes Formular als Anlage zu ihrer Steuererklärung zur Verfügung. Die Belege können, wenn keine anderen Möglichkeiten bestehen, auch in Form von Screenshots oder Ausdrucken aufgezeichnet werden. Nutzen Steuerpflichtige eine spezielle Software, ist für diese eine Verfahrensdokumentation zu erstellen. Darüber hinaus sind grundsätzlich auch die Anforderungen an die Unveränderbarkeit von Daten zu beachten. Gerade dieses Kriterium wird bei den von den Softwareanbietern zum Download zur Verfügung gestellten CSV-Dateien allerdings (noch) nicht erfüllt.
Steuerpflichtige sind in jedem Fall gut beraten, die einzelnen Blockchain-Transaktionen vollständig, lückenlos und in nachvollziehbarer Art und Weise zu dokumentieren. Die Nichteinhaltung der Steuererklärungs-, Mitteilungs- und Aufklärungspflichten geht in der Regel zu Lasten der Steuerpflichtigen, auch wenn die Finanzbehörden den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln haben (vgl. § 88 AO). Insbesondere gilt es auch die ggfs. nachteilige Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zu vermeiden. Die Dokumentation sollte dem Finanzamt im Rahmen der Steuererklärung als Anlage zur Verfügung gestellt werden. Bei einer verspäteten Offenlegung von Transaktionen mit Kryptowährungen ist auf die Vollständigkeit der Unterlagen zu achten, um – unter Beachtung weiterer Voraussetzungen – der Gefahr einer unvollständigen Selbstanzeige zu begegnen. Daher sollte in diesen Fällen die gesamte Transaktionshistorie mitgeschickt werden.
Die Herausforderungen einer Blockchain-Struktur als Vehikel zur Unternehmens- und Immobilienfinanzierung bzw. -beteiligung sind technisch anspruchsvoll und auf der finanz-, datenschutz- und steuerrechtlichen Ebene komplex. Wenn Sie eine interdisziplinäre rechtliche Beratung benötigen, wenden Sie sich gerne an unser Team.
Wenn Sie gegenüber dem Finanzamt bereits Einkünfte im Zusammenhang mit Blockchain-Transaktionen in Ihrer Steuererklärung erklärt haben, empfiehlt es sich vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Entwicklung und bei bislang nicht vom BFH geklärten Sachverhalten (z.B. Mining, Forging, Staking, Lending, Airdrops, NFTs, Utility Token, Security Token etc.), die Bestandskraft der Steuerbescheide durch Rechtsbehelfe offen zu halten.
Gerne unterstützen wir Sie auch im finanzbehördlichen und -gerichtlichen Verfahren.
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