Fair Play in Pandemie-Zeiten oder ein Fall für die Kartellbehörden?
Ausbleibende Zuschauer- und Sponsoringeinnahmen während der COVID-19-Pandemie zwingen Sportvereine zum finanziellen Umdenken. Gehälter für Spieler und Trainer stellen in einer solchen Situation eine besondere Belastung dar. Ergreifen einzelne Vereine Schutzmaßnahmen wie Gehaltskürzungen, drohen Abwanderungen. Teilweise wurde der Ruf nach Abstimmungen zwischen den Vereinen zu Gehaltskürzungen und zur Unterbindung von Wechseln laut. Aktuelle Verfahren verdeutlichen jedoch die mögliche kartellrechtliche Relevanz solcher Absprachen. Die Vereine stehen miteinander im Wettbewerb und unterliegen grundsätzlich dem Verbot wettbewerbsbeschränkender Absprachen. Jedoch sind die Besonderheiten des Sports und der aktuellen Pandemie bei der Betrachtung zu berücksichtigen.
Die litauische Kartellbehörde hat kürzlich die inländische Basketball-Profi-Liga und deren zehn Vereine mit Bußgeldern zwischen ca. 1.000 und 17.000 Euro belegt. Grund dafür war eine Absprache der Vereine und der Liga, die Saison 2019/2020 wegen der COVID-19-Pandemie abzubrechen und den Spielern weder weiteres Gehalt zu zahlen noch andere finanzielle Kompensation zu gewähren. Die Kartellbehörde qualifizierte dieses Übereinkommen, nachdem sie zahlreiche E-Mails als Beweise zugespielt bekam, als wettbewerbsbeschränkende Absprache. Gehälter seien ein wichtiger Wettbewerbsfaktor, der Transfer-Entscheidungen der Spieler für die kommende Spielzeit und somit auch mittelbar den Erfolg eines Vereins beeinflusst. COVID-19 sei keine Rechtfertigung für solche Absprachen, die die Spieler als Arbeitnehmer bzw. die Fans als Konsumenten belasten. Weitere Details sind nicht verfügbar und werden ggf. auch nicht öffentlich, da angesichts der sehr geringen Bußgelder ein Vorgehen der Vereine gegen die Entscheidung fraglich erscheint.
Interessant ist, dass auch in Polen die dortige Kartellbehörde gegen die polnische Basketball-Liga und ihre 16 Vereine wegen vergleichbarer Absprachen zu Kündigungs- und Gehaltsregelungen ermittelt. Dabei hat sich die polnische Behörde auch mit der Europäischen Kommission ausgetauscht, die die Bedenken teilt.
Die mexikanische Kartellbehörde hat im September 2021 den inländischen Fußball-Verband, 17 Vereine und 8 Personen mit einem Bußgeld von insgesamt 8,9 Mio. US-Dollar belegt, da Gehaltsobergrenzen im Frauenfußball (750 USD pro Monat) abgesprochen wurden. Die Absprache habe den Wettbewerb zwischen den Vereinen um die besten Spielerinnen beschränkt und Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern vergrößert. Zudem vereinbarten die Vereine, dass für männliche Spieler bei einem Wechsel auch dann eine Ablösesumme zu zahlen ist, wenn die vereinbarte Vertragslaufzeit abgelaufen ist.
In Großbritannien wurde eine – unabhängig von der Pandemie – zur Saison 2020/21 eingeführte Gehaltsobergrenze für die League One (3. Liga) und die League Two (4. Liga) kurz nach ihrer Einführung wieder aufgegeben. Die Obergrenze sollte Nachhaltigkeit fördern und die Inflation der Gehälter eindämmen.
Die portugiesische Fußball-Liga veröffentlichte im April 2020 einen Beschluss aller Erst- und Zweitliga-Vereine, keine Spieler anderer Vereine einzustellen, die ihr Arbeitsverhältnis aufgrund von pandemie-bedingten Vorfällen wie Zahlungsausfällen einseitig beendet hatten. Die portugiesische Kartellbehörde sah darin eine rechtswidrige Wettbewerbsbeschränkung und gab den Vereinen auf, die Vereinbarung aufzuheben oder anderenfalls eine Strafe von 6.000 Euro für jeden Tag, den sie noch gültig sei, zu zahlen. COVID-19 sei keine Rechtfertigung für solche Absprachen zwischen Wettbewerbern.
Kürzlich startete auch die kolumbianische Wettbewerbsbehörde eine Untersuchung der inländischen Männer-Fußballiga. Seit 2018 sollen 16 der 20 Erstliga-Clubs und ihre Manager eine Liste von Spielern angefertigt haben, die von den Clubs gegenseitig nicht abgeworben werden durften. Die Spieler konnten somit während ihrer laufenden Verträge nicht mit anderen Vereinen über Transfers und bessere Konditionen verhandeln. Eine Entscheidung steht noch aus.
Soweit ersichtlich noch nicht von Behörden aufgegriffen ist der folgende Sachverhalt. Seit der aktuellen Saison erlaubt der brasilianische Fußballverband in seiner höchsten Spielklasse nur noch einen Trainerwechsel pro Saison, um der dortigen Hire and Fire-Mentalität entgegenzuwirken. In der vergangenen Saison wechselten 17 von 20 Vereinen den Trainer. Im Schnitt bleiben Trainer in Brasilien nur knapp sechs Monate im Amt. Die Neuregelung solle dem Stühlerücken ein Ende bereiten und sei angesichts entsprechender Beschränkungen für Spielerwechsel naheliegend, so der Verband. Sollte ein Verein ein zweites Mal während einer Saison den Trainer wechseln wollen, so müsste der Ersatz bereits mindestens sechs Monate im Verein tätig gewesen sein – bspw. als Jugend- oder Assistenztrainer. Im Falle eines freiwilligen Rücktritts oder einer Aufhebungsvereinbarung gilt die Beschränkung allerdings nicht für den Verein, sondern nur für den betroffenen Trainer.
Die Beispiele verdeutlichen, dass die Auswirkungen der Pandemie Sportvereine vor große Herausforderungen stellen. Ein koordinierter Ansatz der Vereine, meist organisiert über die Verbände, ist da naheliegend. Allerdings unterliegen die Vereine als Wettbewerber den Grenzen des Kartellrechts. Danach müssen Wettbewerber grundsätzlich unabhängig voneinander agieren und dürfen sich insbesondere nicht zu wettbewerbsrelevanten Parametern wie z.B. Gehältern, Preisen oder Mitarbeitern abstimmen. Hinzu kommt als Schutzrecht für Spieler und Trainer die sog. Arbeitnehmerfreizügigkeit, wonach EU-Bürger ihren Arbeitsplatz innerhalb der EU frei wählen können.
Unter Umständen sind Beschränkungen jedoch gerechtfertigt: Zum einen können im Bereich des Sports (Verbands-)Regelungen grundsätzlich zulässig sein, wenn sie im Rahmen des Erforderlichen ein geschlossenes Spielsystem (Liga) schützen, um in einem fairen Wettbewerb die Besten eines Sports zu ermitteln. Anders als in anderen Wirtschaftsbereichen sind im Sport die Wettbewerber aufeinander angewiesen – nur eine Vielzahl von wettbewerbsfähigen Vereinen garantiert eine attraktive Liga mit entsprechenden Einnahmemöglichkeiten. Zum anderen können Kooperationen zwischen Wettbewerbern den Wettbewerb auch fördern oder erst ermöglichen. Dies kann gerade auch bei vorübergehenden Maßnahmen zur Überwindung der Pandemie-Auswirkungen der Fall sein. Beispielsweise hat sich das Bundeskartellamt mit dem Verband der Automobilindustrie auf kartellrechtliche Rahmenbedingungen zur Krisenbewältigung geeinigt.
Absprachen zwischen Vereinen, Spielern kein oder ein reduziertes Gehalt zu zahlen (Fälle in Litauen und Polen) erscheinen auch in einer Pandemie-Lage kaum zu rechtfertigen. Dagegen werden Gehaltsobergrenzen (Fälle in Mexiko und Großbritannien) als zulässige Beschränkungen zur Sicherstellung eines fairen Wettkampfs diskutiert. Für die UEFA ergeben sich indirekte Beschränkungen im Bereich Spielergehälter aus den Financial Fairplay-Regeln, die zudem bei Verstößen auch konkrete Maßnahmen zu Wechseln und Gehältern vorsehen. Bei den Wechselthemen ist einerseits die Zahlung von Ablösesummen für vertragslose Spieler (Mexiko) in der EU seit dem Bosman-Urteil tabu. Andererseits sind Wechselperioden für vertraglich gebundene Spieler und Beschränkungen zur Verleihung von Spielern Realität in Europa, so dass auch entsprechende Maßnahmen in Bezug auf Trainer (Brasilien) möglich erscheinen. Pauschale Abwerbeverbote (Portugal) wiederum dürften kaum zu rechtfertigen sein. Erst kürzlich hat sich die EU-Kommissarin für Wettbewerb, Margrethe Vestager, zu sog. no poaching-Vereinbarungen geäußert und erklärt, dass Abwerbeverbote verstärkt auf dem Radar der EU-Wettbewerbshüter stehen.
Vereine sollten die Zulässigkeit solcher Maßnahmen bereits prüfen, bevor dazu detaillierte Diskussionen mit anderen Vereinen stattfinden. In Zweifelsfällen kann eine informelle Konsultation mit den zuständigen Kartellbehörden in Betracht gezogen werden.
Besonderer Dank gilt Kjell Tönjes, Rechtsreferendar im Kartellrechtsteam in Berlin, für die Mitarbeit bei der Erstellung dieses Artikels.
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