Im Dezember 2020 hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur („BMVI“) den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bereitstellung flächendeckender Schnellladeinfrastruktur für reine Batterieelektrofahrzeuge an diverse Verbände aus der Mobilitäts- und Energiebranche übermittelt und diese zur Stellungnahme aufgefordert. Das neue Gesetz soll in Ergänzung zu dem Elektromobilitätsgesetz („EmoG“) und der in der Novellierung befindlichen Ladesäulenverordnung („LSV“) die notwendigen Ausschreibungsbedingungen festlegen, damit öffentliche Ladesäulen und Ladepunkte in Deutschland zukünftig schnell, flächendeckend, zuverlässig, bedarfsgerecht und belastbar aufgebaut und nach Möglichkeit wirtschaftlich betrieben werden.
Bei den Verbänden und in der Öffentlichkeit ist der Referentenentwurf aus Dezember 2020 überwiegend auf Kritik gestoßen, sodass das BMVI mit einem geänderten Gesetzentwurf reagierte, der wiederum am 10. Februar 2021 vom Bundeskabinett beschlossen wurde (nachfolgend „Gesetzentwurf“ oder „SchnellLG-E“).
Der aktuelle Gesetzentwurf, dessen Verabschiedung für Frühjahr 2021 geplant ist, enthält wichtige Regelungen oder zumindest Hinweise über die Maßnahmen, mit denen der Bund den zügigen und flächendeckenden Ausbau der Schnellladeinfrastruktur erreichen will.
Der eingeschränkte Anwendungsbereich des SchnellLG wurde von vielen Verbänden kritisiert, da er den politischen Willen des BMVI erkennen lasse, künftig ausschließlich reine Batterieelektrofahrzeuge („BEV“) zu fördern. Sämtliche Regelungen des SchnellLG-E betreffen ausschließlich reine BEV, also Fahrzeuge, die nur mithilfe einer Elektrobatterie angetrieben werden. Weder bestehende Lösungen (z.B. Plug-in-Hybride) noch in der Entwicklungsphase befindliche (z.B. E-Trailer) oder künftig neu entwickelte Technologien (etwa im Wege einer Öffnungsklausel) werden berücksichtigt.
Zentraler Ausgangspunkt des Gesetzentwurfs ist, dass der Ausbau der Schnellladeinfrastruktur eine öffentliche Aufgabe darstellt, mit deren Ausübung der Bund im Rahmen einer oder mehreren europaweiten Ausschreibungen mehrere private Betreiber beauftragen wird.
So ist vorgesehen, dass das BMVI in einem oder mehreren Vergabeverfahren Unternehmen – ggf. aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union – auswählen und mit der Bereitstellung der Schnellladestandorte beauftragen wird. Die erste europaweite Ausschreibung von 1.000 öffentlich zugänglichen Standorten mit einer Leistung von 150 kW (oder höher) pro Ladepunkt soll bereits im Sommer 2021 starten.
Vor diesem Hintergrund wird das BMVI gemeinsam mit der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur nicht nur den Bedarf ermitteln, die Schnellladestandorte festlegen und Anzahl, Ausstattung und Nebenanlagen definieren, sondern auch die technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen bestimmen, die von den zukünftigen Betreibern mit Blick auf Flächendeckung, Zugänglichkeit, Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit, Bedarfsgerechtigkeit, Nutzerfreundlichkeit sowie Umweltverträglichkeit des Infrastrukturangebots zu beachten sind. Zu den konkreten Regelungen über das Vergabeverfahren oder zu den an die Bieter zu stellenden konkreten wirtschaftlichen, technischen und rechtlichen Anforderungen schweigt der Gesetzentwurf jedoch. Diese Themen sollen in einer noch zu erlassenden Rechtsverordnung geregelt werden.
Bislang ist dem Gesetzentwurf nur zu entnehmen, dass es sich bei den zu schließenden Verträgen – je nach konkreter Ausgestaltung – um öffentliche Aufträge oder aber um Konzessionen handeln kann. Diese Unterscheidung stellt jedoch einen wesentlichen Aspekt dar, da im Falle einer Konzession der jeweilige Betreiber Konzessionsabgaben an die öffentliche Hand zu zahlen und das wirtschaftliche Risiko für den Betrieb der Schnellladeinfrastruktur zu tragen hat. Die konkrete Ausgestaltung der Ausschreibung wird demnach erhebliche Auswirkungen auf die Bieterkalkulation und das allgemeine Bieterverhalten haben.
Auch wenn die Einzelheiten über Art und Inhalt der Ausschreibung(en) nicht feststehen, gilt mit dem Gesetzentwurf jedoch zumindest die Maßgabe, dass der Aufbau und der Betrieb des bundesweiten Schnellladenetzes in mindestens zehn Losen ausgeschrieben werden soll.
Die Lose können sich auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland oder auf genau definierte Regionen beziehen, die sich wiederum über mehrere Bundesländer oder Teile mehrerer Bundesländer erstrecken können. Die Lose können auf Standorte oder sogenannte Suchräume bezogen sein. In diesem Fall werden die Bieter aufgefordert, in dem vom Auftraggeber definierten Suchraum eine geeignete Fläche für einen Schnellladestandort ausfindig zu machen.
Ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf muss der gewählte Loszuschnitt die Teilnahme kleiner und mittelständischer Unternehmen – in Gestalt von Bietergemeinschaften oder als Subunternehmen – ermöglichen und zudem wirtschaftlich attraktive und weniger attraktive Standorte (beispielsweise wegen saisonaler Auslastung) bündeln.
Schließlich sind die Lose so zu gestalten, dass die Schnellladepunkte ohne zeitliche Verzögerungen und zu geringen Gesamtkosten in das Stromnetz integriert werden können.
Wie die Lose konkret zugeschnitten werden, wird sich aber letztendlich aus der Leistungsbeschreibung ergeben.
Laut SchnellLG-E müssen die Bieter den diskriminierungsfreien Zugang zu den Schnellladepunkten, das punktuelle Laden (d.h. Laden, ohne vorherige Registrierung und ohne vorherige vertragliche Bindung) sowie eine nutzerfreundliche Abrechnung anbieten. Insoweit handelt es sich um nachvollziehbare Vorgaben, die der LSV und den allgemeinen Grundsätzen des Energiewirtschaftsgesetzes folgen. Der Gesetzentwurf gibt weiter vor, dass die Stromversorgung aus erneuerbaren Energien zu erfolgen hat und dass Start und Durchführung des Ladevorganges nutzerfreundlich sein müssen.
Schließlich sollten sich die mit dem SchnellLG-E adressierten Unternehmen und künftigen Bieter der Bedeutung der Eigentumslage klar sein: Denn sofern der Bund nicht Eigentümer ist oder wird, soll der Auftragnehmer Eigentümer der Schnellladeinfrastruktur werden und darf das Eigentum grundsätzlich weder belasten noch an Dritte übertragen. Inwieweit Betreibermodelle, wie z.B. im Wege der Pacht, zulässig sind, ist noch offen. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass das BMVI und der jeweilige Auftragnehmer etwas Anderes vereinbaren.
Welche konkreten weiteren Anforderungen die Angebote der Bieter erfüllen müssen, bleibt wohl bis zum Erlass der das SchnellLG konkretisierenden Rechtsverordnung offen.
Gleichwohl lassen die Gesetzesbegründung und die Pressemitteilung des BMVI erahnen, wie eine zukünftige Ausschreibung der Schnellladeinfrastruktur im Einzelnen aussehen könnte.
Das SchnellLG-E skizziert folgendes Beispielsszenario:
Mit Erteilung des Zuschlags wird der Bund schließlich einen oder mehrere Verträge mit dem/den jeweils wirtschaftlichsten Betreiber(n) für eine voraussichtliche Laufzeit von 10 Jahren schließen.
Das künftig zu verabschiedende SchnellLG betrifft neben den „Neuanbietern“ von Schnellladeinfrastruktur auch Unternehmen, die bereits eine Konzession zum Betrieb einer Tankstelle etc. an einer Bundesautobahn halten.
Für den Fall, dass diese Konzession die Bereitstellung von Schnellladeinfrastruktur miteinschließt, kann der Bund die Kosten für die Neuherstellung oder die Verstärkung eines Netzanschlusses ganz oder teilweise übernehmen.
Sollte die Konzession die Bereitstellung von Schnellladeinfrastruktur hingegen nicht umfassen, wird die Autobahn GmbH dem Konzessionsnehmer unter Umständen die eigenwirtschaftliche Übernahme der Errichtung, der Unterhaltung und des Betriebs der an diesem Standort geplanten Schnellladepunkte anbieten. Falls der Konzessionsnehmer den Betrieb der Schnellladepunkte nicht übernehmen will, wird für den betreffenden Schnellladestandort ein wettbewerbsoffenes Ausschreibungsverfahren durchgeführt.
Die Interessen der Unternehmen, die bereits in Ladeinfrastruktur investiert haben und Ladeinfrastruktur mit mehr als 22 kW betreiben („Bestandsinfrastrukturbetreiber“), sind bei der Ausschreibung zum Aufbau und Betrieb der Schnellladeinfrastruktur ebenfalls zu berücksichtigen. Denn diese haben ein gewichtiges Interesse daran, zumindest ihre Investitionskosten zu decken.
Für wirtschaftlich unzumutbare Härtefälle sieht das SchnellLG-E mit Blick auf Bestandsinfrastrukturbetreiber die Möglichkeit vor, dem BMVI die bestehende Ladeinfrastruktur zur käuflichen Übernahme anzubieten (Andienungsrecht) oder alternativ eine Entschädigung zu verlangen. Ausweislich der Gesetzesbegründung wird eine unzumutbare Härte allerdings nur in Ausnahmefällen vorliegen.
Der Gesetzentwurf ist allerdings noch nicht „rund“. Auffällig ist, dass der Begriff des Schnellladepunktes nach dem derzeitigen Gesetzesentwurf von der Definition in der LSV abweicht. Ein „Schnellladepunkt“ i.S.d. der LSV ein Ladepunkt, an dem Strom mit einer Ladeleistung von mehr als 22 kW an ein Elektromobil übertragen werden kann. Das SchnellLG-E versteht unter einem Schnellladepunkt hingegen einen Ladepunkt mit einer Ladeleistung von mindestens 150 kW. Dieses Begriffsverständnis geht damit deutlich über die Definition in der LSV hinaus und dürfte in der Zukunft bei den Betreibern von Ladeinfrastruktur zu Irritation und Unklarheiten führen. Unklar ist auch, weshalb der Gesetzesentwurf nicht berücksichtigt, dass sich die LSV derzeit in der Überarbeitung befindet. Hier wäre es zwingend erforderlich, dass sich das BMVI und das für die LSV zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie abstimmen.
Nach der Definition im SchnellLG-E müssen Ladepunkte zudem zum Aufladen reiner BEV geeignet und bestimmt sein. Anders ist dies etwa in § 2 LSV geregelt, der sowohl reine BEV als auch Plug-In-Hybride erfasst. Allerdings verfolgt der Gesetzgeber hiermit das Ziel, ausschließlich BEV zu fördern, da nur diese Fahrzeuge ohne CO2-Emissionen betrieben werden können.
Vor diesem Hintergrund erscheint es erforderlich, dass der Normgeber die relevanten Regelwerke mit Bezug zum Ausbau der Ladeinfrastruktur überprüft und angleicht, um ein einheitliches Rechtsgefüge zu schaffen, auf dessen Basis bis zum Jahr 2030 – wie von der Bundesregierung avisiert – eine Million öffentliche Ladepunkte errichtet und betrieben werden können.
Gleichwohl ist der SchnellLG-E als ein erster wichtiger Schritt in Richtung des flächendeckenden Ausbaus von Schnellladeinfrastruktur zu begrüßen. Wichtig ist, die Rechte der Anbieter von Bestandsladeinfrastruktur ausreichend zu wahren, um einem Stillstand des Ausbaus vorzubeugen.
Im Übrigen bleibt abzuwarten, welche weiteren regulatorischen Vorgaben die im SchnellLG-E angekündigten Rechtsverordnungen aufstellen und wie sich diese in die derzeit in der Überarbeitung befindliche LSV einfügen werden. Auf EU-Ebene mit Spannung zu beobachten sind überdies die Entwicklungen rund um die Überarbeitung der Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe der Europäischen Kommission.
Den am Ausbau der Schnellladeinfrastruktur interessierten Unternehmen ist jetzt schon Folgendes zu raten: Sie sollten die Vergabeplattformen und insbesondere www.ted.europa.eu spätestens nach Verkündung des SchnellLG im Frühjahr 2021 sorgsam im Hinblick auf Vergabeverfahren des Bundes (BMVI) für Schnellladepunkte und Schnellladeinfrastruktur überwachen. Etwaige Unklarheiten der Vergabeunterlagen und Verstöße gegen das Vergaberecht sind dann schnellstmöglich – ggf. unter Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe – durch Bieterfragen zu klären oder durch Rügen zu beseitigen. Sinnvoll erscheint es zudem, schon jetzt in Kontakt zu anderen potentiellen Partnern zu treten und die Grundzüge einer potenziellen Zusammenarbeit festzulegen, um nach dem Beginn der Ausschreibung keine Zeit für die Suche nach Subunternehmern oder für die Gründung von Bietergemeinschaften zu verlieren.
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