TEIL 2 – Was ist der angemessene Preis? Wie sind die Vorgaben für diskriminierungsfreien Zugang und Smart Charging?
Dies ist der zweite Teil einer Artikelserie, in der analysiert werden soll, wie sich die neuen regulatorischen Vorgaben der Verordnung (EU) 2023/1804 über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (Regulation on the deployment of alternative fuels infrastructure – AFIR) auf den Betrieb von E-Mobility-Modellen auswirken werden. In Teil 1 unserer Reihe ging es um die Definition des Betreibers von E-Ladesäulen. In diesem zweiten Teil erläutern wir die Vorgaben zum diskriminierungsfreien Zugang zu den E-Ladesäulen und der entsprechenden Preisgestaltung.
Die AFIR scheint sich vorrangig auf die Perspektive des Ladesäulennutzers zu fokussieren, wie man beispielsweise anhand der Definition des Ladesäulenbetreibers (Charge Point Operator – CPO) (siehe hierzu unsere Ausführungen in unserem Blogbeitrag zur CPO-Definition) sowie in den ausführlicheren Vorgaben für das geforderte nichtdiskriminierende Verhalten erkennen kann – diese beziehen sich aber weiterhin nur auf öffentlich zugängliche Ladepunkte:
Die von Ladesäulenbetreiber berechneten Preise müssen angemessen, einfach und eindeutig vergleichbar, transparent und nichtdiskriminierend sein (Art. 5 Abs. 3 AFIR).
Die Maßstäbe, wann Preise diese Voraussetzungen erfüllen, sind in der Verordnung nicht näher geregelt. Insoweit ist demnach auf allgemeine Grundsätze abzustellen. Da es um Preise geht, die im Wesentlichen von der Preisbildung im Strommarkt abhängen, sind in diesem Kontext Grundsätze aus der Energiewirtschaft heranzuziehen. Selbstverständlich enthalten die Entgelte der Ladesäulenbetreiber auch Dienstleistungsentgelte; diese machen in der Praxis jedoch den geringeren Anteil im Verhältnis zu den Strompreisen aus.
Im Hinblick auf die Anforderungen, dass die Preise einfach, eindeutig, vergleichbar und transparent sein sollen, findet in Deutschland ohnehin § 14 Abs. 2 der Preisangabenverordnung (PAngV) Anwendung, sofern der Ladesäulenbetreiber selbst den Ladestrom an Ladekunden abgibt. Im Grundsatz sind daher bei punktuellem Laden der Arbeitspreis pro kWh und – falls erhoben – der Grundpreis auszuweisen. Eine Ausweitung der Transparenz, etwa im Sinne des § 40 Abs. 3 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) – wie bei Stromlieferverträgen mit Letztverbrauchern – unter Ausweisung der staatlichen Belastungen wäre nur erforderlich, wenn der Gesetzgeber insoweit das EnWG änderte. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass dieser solche erhöhten Transparenzanforderungen einführen könnte.
Problematischer dürfte in der Praxis sein, wie zu bestimmen ist, welche Preise noch als angemessen gelten können. Der europäische Gesetzgeber bringt durch diese Regelung zum Ausdruck, dass er die Ladeinfrastruktur als grundsätzlich monopolistische Infrastruktur ansieht und gibt deshalb den Betreibern auf, ihre Preise nicht unangemessen zu gestalten. Vor diesem Hintergrund erscheint es naheliegend, die aus dem Wettbewerbs- und Kartellrecht bekannten Grundsätze zum Preishöhenmissbrauch – Art. 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und § 19 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) – auch hier anzuwenden. So hat der Europäische Gerichtshof zur Preisangemessenheit entschieden, dass ein Preismissbrauch in der Anwendung eines überhöhten Preises bestehen kann, „der in keinem angemessenen Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung steht“. Das Verhältnis des Preises zum wirtschaftlichen Wert kann dabei auf Basis einer Kosten-Preis-Analyse und von Preisvergleichen sowie Gewinnvergleichen ermittelt werden. In der Praxis kann man demnach davon ausgehen, dass diejenigen Betreiber, die im Vergleich zu anderen vergleichbaren Betreibern deutlich überhöhte Preise verlangen, in das Visier der zuständigen Behörden geraten können.
Schließlich muss die Preisgestaltung im Hinblick auf Endnutzer und Mobilitätsdienstleister (Mobility Service Provider – MSP) auch nichtdiskriminierend sein. Eine Differenzierung des Preisniveaus darf etwa nur dann stattfinden, wenn die Differenzierung verhältnismäßig und objektiv gerechtfertigt ist.
Ebenso wie die vom Ladesäulenbetreiber berechneten Preise müssen auch die von Mobilitätsdienstleistern den Endnutzern berechneten Preise angemessen, transparent und nichtdiskriminierend sein. Mobilitätsdienstleister sind laut der Definition in Art. 2 Nr. 36 AFIR juristische Personen, die einem Endnutzer gegen Entgelt Dienstleistungen erbringen, einschließlich des Verkaufs von Auflade- oder Betankungsdiensten. Diese müssen Endnutzern vor Beginn des beabsichtigten Ladevorgangs alle geltenden Preisinformationen, die für den jeweiligen Ladevorgang spezifisch sind, durch frei zugängliche, weitverbreitete elektronische Mittel zur Verfügung stellen mit einer klaren Unterscheidung zwischen allen Preisbestandteilen, einschließlich der anwendbaren e-Roaming-Kosten und anderer vom Mobilitätsdienstleister erhobener Gebühren oder Entgelte. Auch diese müssen wiederum angemessen, transparent und nichtdiskriminierend sein. Insbesondere darf der Mobilitätsdienstleister keine zusätzlichen Entgelte für grenzüberschreitendes e-Roaming erheben.
An Ladepunkten mit einer Ladeleistung von 50 kW oder mehr muss der vom Betreiber berechnete Ad-hoc-Preis auf dem Preis pro kWh für den gelieferten Strom beruhen. Darüber hinaus können die Betreiber dieser Ladepunkte eine Nutzungsgebühr als Preis pro Minute erheben, um eine lange Belegung des Ladepunkts zu verhindern. Die Ausweisung des Ad-hoc-Preises pro kWh und etwaiger Nutzungsentgelte als Preise pro Minute an der Ladestation selbst soll die Endnutzer in die Lage versetzen, diese Informationen vor Einleitung eines Ladevorgangs zu prüfen und ggf. einen Preisvergleich vorzunehmen. In diesem Zusammenhang wird derzeit im Markt auch die Verwendung von dynamischen QR-Codes diskutiert.
Auch die Betreiber von Ladepunkten mit einer Ladeleistung von weniger als 50 kW müssen die Informationen über den Ad-hoc-Preis mit all seinen Preiskomponenten an den von ihnen betriebenen Ladestationen klar und leicht zur Verfügung stellen. Die anwendbaren Preisbestandteile sind dabei in folgender Reihenfolge darzustellen: (1) Preis pro kWh, (2) Preis pro Minute, (3) Preis pro Ladevorgang, und (4) jede andere anwendbare Preiskomponente.
An öffentlich zugänglichen Ladepunkten, die ab dem 13. April 2024 errichtet werden, muss punktuelles Aufladen unter Verwendung eines in der Union weitverbreiteten Zahlungsinstruments möglich sein. Zu diesem Zweck müssen die Betreiber von Ladepunkten an diesen Punkten elektronische Zahlungen über Endgeräte und Einrichtungen akzeptieren, die für Zahlungsdienste genutzt werden, wobei darunter mindestens eines der folgenden Geräte fällt:
Eine Ausnahme von dieser Verpflichtung besteht nur für Ladepunkte, an denen keine Zahlung für den Aufladedienst verlangt wird.
Wenn die Betreiber von Ladepunkten an einem von ihnen betriebenen Ladepunkt eine automatische Authentifizierung anbieten, so müssen sie mit Geltung der AFIR zum 13. April 2024 sicherstellen, dass die Endnutzer stets das Recht haben, die automatische Authentifizierung nicht zu nutzen und ihr Fahrzeug stattdessen entweder punktuell aufzuladen oder eine andere an diesem Ladepunkt angebotene vertragsbasierte Zahlungslösung zu nutzen. Die Ladesäulenbetreiber müssen den Endnutzern diese Option dabei deutlich anzeigen und sie ihnen auf geeignete Weise anbieten.
Bis zum 14. Oktober 2024 müssen die Betreiber von Ladepunkten sicherstellen, dass alle von ihnen betriebenen öffentlich zugänglichen Ladepunkte digital vernetzte Ladepunkte sind (Art. 5 Abs. 7 AFIR). Ein „digital vernetzter Ladepunkt“ ist dabei, so Art. 2 Nr. 17 AFIR, ein Ladepunkt, der Informationen in Echtzeit senden und empfangen, bidirektional mit dem Stromnetz und dem Elektrofahrzeug kommunizieren und aus der Ferne überwacht und gesteuert werden kann, einschließlich zum Starten und Stoppen des Ladevorgangs und zur Messung des Stromflusses. Hiermit möchte die AFIR die künftige Möglichkeit schaffen, fortgeschrittene digitale Dienste (einschließlich vertragsbasierter Zahlungsmodelle) zu entwickeln und transparente digitale Nutzerinformationen zu gewährleisten. Wesentlich hierfür ist die Errichtung intelligenter Ladepunkte, die die Schaffung einer digital vernetzten und interoperablen Infrastruktur unterstützen (Erwägungsgrund 28 der AFIR).
Dies spiegelt sich auch in der an die Ladesäulenbetreiber gerichtete Verpflichtung wider, sicherzustellen, dass alle von ihnen betriebenen Ladepunkte, die nach dem 13. April 2024 errichtet oder nach dem 14. Oktober 2024 instand gesetzt werden, zu intelligentem Laden fähig sind (Art. 5 Abs. 8 AFIR).
In der Praxis hat die Ausgestaltung der Preise eine hohe Relevanz, insbesondere im Hinblick auf Ladeinfrastruktur, die in Gebieten installiert ist, in denen es kaum alternative bzw. konkurrierende Ladeinfrastruktur gibt, z.B. beim High-Power-Charging. Es bleibt abzuwarten, inwieweit hier die Behörden in die Preisgestaltung eingreifen werden – jedenfalls ist die erste Sektoruntersuchung, vermutlich durch das Bundeskartellamt, absehbar.
Die in der AFIR festgelegten verbindlichen Mindestziele und Verpflichtungen beziehen sich dabei nur auf die Einrichtung öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur. Wie wir aber bereits in Teil 1 dieser Veröffentlichungsreihe angedeutet haben, ist davon auszugehen, dass sich die Vorgaben für öffentlich zugängliche Ladesäulen denen für nicht-öffentlich zugängliche Ladesäulen annähern werden. Eine Überprüfung von Preisen für Ladestrom nach Art. 102 AEUV oder § 19 GWB erscheint aufgrund der monopolistischen Struktur durchaus auch im Bereich nicht-öffentlicher Ladeinfrastruktur möglich.
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