Ist es denkbar, dass ein Verkäufer eines Unternehmens trotz Offenlegung von Informationen im Datenraum wegen arglistigen Verschweigens offengelegter Informationen ungeachtet (kauf-)vertraglicher Regelungen unbeschränkt gegenüber einem Käufer haftet und sämtliche Haftungsbeschränkungen ins Leere laufen? Ja und die Gefahr ist seit einer kürzlich ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) gestiegen.
Unternehmenskaufverträge haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte zunehmend zu standardisierten Produkten entwickelt. Dieser Prozess hat sich durch das gehäufte Einschalten von Warranty & Indemnity (W&I) Versicherern verstärkt, da W&I Versicherer an der Setzung von Standards mitwirken, Verhandlungen um den Garantiekatalog erheblich reduziert wurden und nicht zuletzt Risiken aus einem Unternehmenskauf häufig nicht mehr zwischen den Parteien des Kaufvertrags zu verteilen sind. Allerdings darf ein Verkäufer nur dann auf Haftungsausschlüsse und -beschränkungen vertrauen, wenn auf dem Weg zum Kaufvertragsschluss alle hierfür relevanten Schritte eingehalten wurden. Neben der Vereinbarung eines sachgerechten Garantiekatalogs, der zum Teil objektive, zum Teil (verkäufer-)kenntnisbasierte Garantien vorsieht, sollte der Kaufvertrag Haftungsausschlüsse enthalten, die etwa bei der Kenntnis des Käufers von einzelnen Tatsachen und Umständen eingreifen, und Regelungen, die die Kenntnisnahme und den Zeitpunkt der Kenntnis von Tatsachen und Umständen definieren. Der BGH hat sich durch Urteil vom 15. September 2023 (Az.: V ZR 77/22) jüngst zur Wirksamkeit von Haftungsbeschränkungen und der Kenntnis eines Käufers geäußert und die Anforderungen an Verkäufer konkretisiert und ausgedehnt.
Die Parteien eines Unternehmenskaufs schließen die Regelungen des BGB regelmäßig in weiten Teilen aus und vereinbaren stattdessen ein eigenes Regime an Haftungsgrundlagen, Vertragsverletzungen und Rechtsfolgen. Insbesondere wird der Sollzustand des verkauften Unternehmens durch eine Vielzahl von Garantieerklärungen festgelegt und Abweichungen hiervon führen zu von den Parteien ausverhandelten Regelungen zu Schaden, Schadensersatz und verschiedenen Haftungsbeschränkungen. Unter anderem vor diesem Hintergrund werden im Vorfeld eines Kaufvertragsschlusses käuferseitig regelmäßig mehr oder minder umfangreiche Untersuchungen (Due Diligence) durchgeführt, die zum einen Risiken identifizieren sollen, die sich auf den Kaufpreis auswirken oder gar zur Abstandnahme von der Transaktion führen können. Zugleich dient die Due Diligence dazu, das Kaufobjekt, nämlich das Unternehmen, durch die Vereinbarung entsprechender Garantien sachgerecht zu beschreiben.
Die Vereinbarung von Haftungsbeschränkungen generell hängt unter anderem davon ab, dass ein Verkäufer einen Käufer nicht vorsätzlich Mängel einer Kaufsache verschweigt. Dieses Element kann im Rahmen der Due Diligence aufgrund rechtlicher Wertungen zu Problemen führen.
Zum einen geht die Rechtsprechung seit langem davon aus, dass ein redlicher Verkäufer einen Käufer stets derart umfassend über das Unternehmen zu informieren hat, dass die Tatsachen und Umstände, die für den Käufer und dessen Kaufentscheidung relevant sind, diesem zur Kenntnis gelangen und der Verkäufer annehmen darf, dass der Käufer diese Tatsachen und Umstände in seine Kaufentscheidung einbezogen hat.
Die mittlerweile überwiegend genutzten virtuellen Datenräume bieten regelmäßig die Möglichkeit, einem Käufer nahezu vollständig Zugriff auf alle wesentlichen Dokumente einzuräumen, so dass ein Käufer in der Lage sein sollte, alle bedeutsamen Informationen auszuwerten. In dem vom BGH zitierten Fall wurden relevante Informationen jedoch erst kurz vor Vertragsschluss in den Datenraum eingestellt, so dass der Käufer diese Informationen tatsächlich nicht mehr wahrgenommen hatte (und möglicherweise nicht mehr wahrnehmen konnte). Der BGH hat dem Käufer insoweit Recht gegeben und eine Aufklärungspflichtverletzung des Verkäufers angenommen.
Die Entscheidung des BGB ist allgemein so zu verstehen, dass eine gesonderte Aufklärung durch den Verkäufer nur entbehrlich werde, wenn konkret die Erwartung gerechtfertigt sei, dass ein Käufer bestimmte im Datenraum offengelegte Informationen wahrnehmen und in seine Kaufentscheidung einbeziehen werde. Es reiche jedenfalls nicht aus, dass ein Verkäufer einen umfassenden Datenraum einrichte und einem Käufer einen Zugang einrichte. Vielmehr seien Umfang und Strukturierung sowie Ordnung eines Datenraums zu berücksichtigen. Darüber hinaus könne der Zeitpunkt der Offenlegung im Datenraum bedeutsam sein. Daneben müsse bei Informationen von eminenter Bedeutung beachtet werden, ob diese Informationen aus den offengelegten Unterlagen unmittelbar und deutlich hervorgehen oder ob sich darin lediglich Anhalts- oder Anknüpfungspunkte finden, sich nicht unmittelbar erschließen oder weiterer Nachfragen bedürfen.
Offenlegungen, die nicht den neu gefassten Transparenzanforderungen des BGH genügen, laufen trotz Offenlegung und Wahrnehmbarkeit der Information in einem Datenraum Gefahr, als arglistiges Verschweigen im Sinne von § 444 BGB ausgelegt zu werden. Im Klartext heißt das: Obwohl der Verkäufer die Information dem Grunde nach offengelegt hat, behandelt die Rechtsprechung den Verkäufer so, als hätte er diese Information dem Käufer arglistig verschwiegen. Im Falle von Arglist greifen jedoch die im Übrigen zwischen den Parteien vereinbarten Haftungsbeschränkungen nicht ein, so dass der Verkäufer dann nach gesetzlichen Regelungen und somit unbeschränkt haften könnte. Zudem dürfte sich der Verkäufer in einem solchen Fall einem etwaigen Regressanspruch eines W&I Versicherers ausgesetzt sehen, sofern eine solche Versicherung abgeschlossen wurde.
Verkäuferseitig ist somit in noch höherem Maße als bisher Sorge dafür zu tragen, dass Datenräume ordentlich strukturiert und organisiert sind, keine Doppelungen von Dokumenten enthalten, die Dokumente aus sich heraus verständlich sind und diese ausreichend früh in den Datenraum eingestellt werden. Im Einzelfall mag es darüber hinaus empfehlenswert sein, auf spezifische, besonders relevante Risiken separat hinzuweisen und den Käufer insoweit auf etwaige Probleme zu stoßen.
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